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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
Autoren: Emrah Serbes
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sich das Blut von den Fingern wischte, ein weiteres feuchtes Tuch.
    »Hattest du heute nacht nicht frei?«, fragte er.
    Behzat Ç warf das Tuch fort und zündete sich eine 216 an.
    »Frei? Was ist das denn?«
    Der Geier lachte und fragte mit seinem furchtbaren Gesichtsausdruck: »Ist das Kind im Minibus die Tochter des Toten?«
    »Ja.«
    »Wie hat sie es erfahren?«
    »Sie war bei ihm, als er erstochen wurde.«
    Hinter der Absperrung begafften Schaulustige den letzten Mord des alten Jahres, beziehungsweise seine Überbleibsel. Vor dem Kaufhaus lag, mit zerrissenem Kragen, blutverschmiert und schlammnaß, das Opfer an jener Stelle auf dem Rücken, wo es erstochen worden war. Das Blut aus seinen Wunden hatte eine Lache auf seinem Bauch gebildet. Behzat Ç hatte versucht, die Blutung zu stoppen, aber aufgegeben, als er die Gedärme in seinen Händen hielt.
    Der Geier schaute zunächst auf den Mann, dann auf Behzat Çs 216. Er seufzte: »Gib mir doch auch mal eine. Dieses Taxifahrervölkchen ist doch völlig übergeschnappt. Da ersticht der einen Mann vor den Augen der Tochter. Warum eigentlich?«
    »Er sagt, der hätte seine Mutter beleidigt, aber ich bin mir nicht sicher, vielleicht haben sie auch um Geld gestritten.«
    Am Funkgerät fragte Suat, ob er einen Einsatzwagen schicken solle.
    »Nein, wir sind schon vor Ort.«
    »Wer ist denn noch da?«
    Der Geier nahm das Funkgerät und sagte: »Ich, wer sonst?«
    Behzat Ç glaubte mittlerweile felsenfest an die Legende, daß der Geier aus der Ferne den Geruch sterbender Menschen riechen könne.
    »Was machst du eigentlich hier?«
    »Ich hab mich zu Hause gelangweilt. Ich hab es über Funk gehört.«
    »Du sitzt am Silvesterabend zu Hause und hörst Funk?«
    »Was soll ich machen, im Fernsehen gab es wieder nichts. Hat man schon die Angehörigen verständigt?«
    Während Behzat Ç versucht hatte, die Blutung zu stillen, hatte das Mobiltelefon des Mannes geklingelt.
    »Seine Frau hat angerufen. Ich hab mit ihr gesprochen.«
    Die Schreie der Frau hallten noch in seinen Ohren wider.
    »Die Angehörigen des Mordopfers sind unterwegs. Ich nehm den Taxifahrer mit. Wenn der Krankenwagen kommt, soll er zur Gerichtsmedizin. Wärst du doch bloß Krankenwagenfahrer.«
    Der Geier lächelte. Es ließ sich schwer unterscheiden, ob aus seinem Mund der Rauch der 216 oder der Dampf seines Atems hervorquoll. Er wies ein paar Betrunkene zurecht, die über die Absperrung traten. Sein Haar war grau, seine Augen eingefallen, und mit der Warze auf seiner Nase und der rötlichen Gesichtsfarbe gab er ein scheußliches, angsteinflößendes Bild ab. Wer seine Visage sah, entfernte sich sofort von der Absperrung.
    Behzat Ç nahm das Funkgerät.
    »4570 Zentrale.«
    »Zentrale hört, Herr Vorgesetzter.«
    »Ich hab die Person und komme jetzt. Den Geier am Tatort kontaktieren.«
    »Verstanden.«
    Er stapfte auf den Taxifahrer zu, der in Handschellen im Wagen wartete. Neben dem Auto machte er Harun aus.
    »Hast du das auch über Funk mitbekommen?«
    »Ja.«
    Da Harun zu den Beamten gehörte, die letztes Jahr keinen Urlaub über Silvester bekommen hatten, hatte er heute nacht frei. Er hatte auch Behzat Ç in die Bar eingeladen, in der sich die jüngeren Polizisten treffen wollten. Der hatte aber das Angebot ausgeschlagen, weil er laute Orte nicht mochte.
    »Nun geh schon. Und richte den Kollegen aus, sie sollen sich den Rakı schmecken lassen.«
    »Ich bin schon seit zwei Stunden nicht mehr bei denen.«
    Harun hatte vom Alkohol gerötete Augen. Behzat Ç packte ihn kräftig am Arm.
    »Bloß nicht!«, sagte er. »Bloß nicht!«
    Harun wußte, was dieses »Bloß nicht« heißen sollte.
    »Nein, Herr Vorgesetzter, die hab ich ein für allemal abgeschrieben.«
    »Ob du sie abschreibst oder nicht, ich will keine Spannungen am Arbeitsplatz. Du kriegst auch keine Extrawurst gebraten, ich schick dich in eine andere Abteilung.«
    Er fuhr den Dienstwagen eilig vom Tatort weg. Mitten in Kızılay gerieten sie an eine rote Ampel. Harun sagte vom Beifahrersitz aus: »Es ist frei, du kannst fahren.«
    Er antwortete nicht, sondern starrte auf die Leuchttafel über der roten Ampel, auf der die Sekunden von sechzig beginnend rückwärts gezählt wurden. In der Ferne machte er die Lichter des Krankenwagens aus. Die Sirene mischte sich in das Lied, das eine Menschenmenge auf dem Platz gemeinsam angestimmt hatte.
    »Endlich haben sie es hierher geschafft.«
    Diesmal war es an Harun, nicht zu antworten. Er stierte auf die
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