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Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur

Titel: Behzat C. - jede beruehrung hinterlaesst eine spur
Autoren: Emrah Serbes
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dann auf den Personalausweis in seiner Hand. Als Geburtsdatum war der erste Januar eingetragen. Er verspürte eine Mischung aus Sorge und Trauer; sie war im gleichen Alter wie seine Tochter.
    »Die haben nur den ersten Ersten eintragen lassen, damit sie früher eingeschult wird.«
    »Nein, Herr Vorgesetzter,« antwortete Harun, »sie hat heute mit ihren Freunden ihren Geburtstag gefeiert. Wer bringt sich denn an seinem Geburtstag um?«
    »Versteh einer die jungen Leute. Von wo ist sie runtergesprungen?«
    Harun zeigte auf das oberste Stockwerk des Gebäudes, vor dem sie standen. Es war genau gegenüber jener Stelle, an der vor zwei Tagen ein Taxifahrer ermordet worden war.
    »Von der Terrassenbar. Also von der Terrasse der Bar namens Terrassenbar.«
    »Wo ist der Inhaber?«
    »Im Minibus.«
    Während Behzat Ç auf den Minibus zuging, gab er die Anweisung: »Fragt die Ladeninhaber aus der Umgebung, ob sie irgendwelchen Lärm gehört haben.«
    »Das Phantom ist da. Er untersucht das gerade.«
    Das Phantom war der einzige männliche Mitarbeiter der Mordkommission, der weniger Gewicht auf die Waage brachte als Behzat Ç. Er war ein in Personenobservation und Informationsbeschaffung äußerst erfahrener Beamter. Wie er am Zigarettenkiosk unweit vom Tatort lehnte und mit den Umstehenden plauderte, sah er fast aus wie ein eilig hingekritzeltes Strichmännchen. Auch ihm war vor langer Zeit von einem phantasievollen Kollegen ein Spitzname verliehen worden, und so war sein bürgerlicher Name – es war irgend etwas in Richtung Sami oder Sabri – längst in Vergessenheit geraten. Behzat Ç rief das Phantom auf seinem Mobiltelefon an und fragte: »Bist du am Tatort?«
    »Ja.«
    »Warum ist das Mädchen da runtergesprungen?«
    »Vermutlich aus Frust, was weiß ich.«
    »Wenn du was erfährst, sag mir Bescheid.«
    »Verstanden, Herr Hauptkommissar.«
    »Und bring eine 216 mit, wenn du kommst. Ich bin beim Minibus.«
    Während das Phantom mit seinen Augen die Umgebung abscannte, winkte er ihm zu, um besser gesehen zu werden. Schließlich telefonierten sie auf dem Diensthandy umsonst. Wenn man sich solchen Unfug auch noch verkneifen würde, wären die Mordgeschichten völlig unerträglich.
    Er öffnete die Vordertür des Minibusses und holte aus dem Handschuhfach Einmalhandschuhe hervor.
    »Wer ist hier der Barbesitzer?«
    Ein dicker Mann mit Brille, der ohnehin sofort ins Auge fiel, meldete sich eifrig zu Wort: »Ich, Herr Kommissar.«
    Er hatte eine spiegelblanke Glatze und einen dichten Vollbart, was ihm das Aussehen eines kahlgeschorenen Pilgervaters verlieh.
    »Schön. Komm uns bloß nicht abhanden. Wir haben noch einiges mit dir zu bereden.«
    »Selbstverständlich, Herr Kommissar. Ich bin in meinem Leben noch nicht mit dem Staat und seiner Polizei in Konflikt geraten.«
    »Genau deshalb sag ich das ja.«
    Es saßen noch vier oder fünf weitere Personen im Minibus. Eine junge Frau weinte, mehrere Männer starrten auf den Boden und bliesen Trübsal.
    »Und wer seid ihr?«
    Es kam keine Antwort.
    »Wer ihr seid, verdammt!«
    Die Frau mit den vom Weinen geschwollenen Augen sagte: »Wir sind ihre Freunde.«
    Behzat Ç sprach sein herzliches Beileid aus und warf die Tür zu. Eine Hand faßte ihn an der Schulter. Er schreckte zusammen und drehte sich um. Der Mann, den er zuerst kaum erkannt hatte, war Metin von der Abteilung für Terrorbekämpfung.
    »Was machst du denn hier?«
    »Ich wollt mal auf’n Sprung bei euch vorbeischauen.«
    Auf Metins Gesicht klebte ein blödes Grinsen. Wie im Nachtfrost eingefroren und dort hängengeblieben. Behzat Ç ahnte, daß dieser abgeschmackte Humor nichts Gutes zu bedeuten hatte.
    Er hob die Zeitungsbögen an, unter denen Betül Gülsoy lag. An den nicht zersplitterten Teilen ihres Gesichtes sah man, daß es, ebenso wie ihr Körper, wohlgeformt war. Er blickte auf die Blutlache im Schnee. Warum nimmt sich jemand in so jungem Alter das Leben, noch dazu, wenn sie so schön ist. Während er darüber sinnierte, hatte sich Sıtkı von der Spurensicherung unter der Absperrung hindurchgebückt, seine riesige schwarze Tasche abgestellt und war jetzt dabei, sie mit schwerfälligen Bewegungen zu öffnen.
    »Hast du’s endlich auch mal hierher geschafft?«
    Sıtkı war mit den mannigfaltigen Fächern seiner Tasche beschäftigt.
    »Immerhin bin ich schneller als die 112«, sagte er.
    »Wer ist das denn nicht?«
    »Die Feuerwehr.«
    Sie beugten sich zu Betül herab. Behzat Ç suchte die Manteltaschen der
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