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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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öffnete die Tür zum Vorzimmer und ging hinaus.
Frau Bang saß wie eine Wachsfigur hinter ihrem Schreibtisch,
mit versteinertem Blick und noch versteinerterem Lächeln.
Auf einem Stuhl gleich hinter der Tür saß ein dunkelhäutiger
junger Mann und wartete. Er trug eine schwarze Lederjacke, ein
weißes Hemd und hellblaue Jeans. Sein Gesicht war mager und
sehnig, und er hatte einen dunklen Schnauzbart. Ich sah ihn
nicht zum erstenmal.
Frau Bang stand auf und sah bedauernd zu Asbjørn Hellesø.
»Er sagte, er müsse mit dir reden. Er bestand darauf zu warten.
Ich wollte nicht stören.«
Ich ging schnell an ihr vorbei. Der farbige Junge sah auf, und
sein Blick bog ab. Ich faßte ihn am Jackenaufschlag und hob ihn
hoch. »Hast du nicht Marit versprochen, daß du mich in Ruhe
lassen wolltest?«
Er versuchte, sich loszureißen. »Marit? Marit! Ich kenne keine
Marit!« Er sah zu Hellesø. »Ich bin gekommen, um mein Geld
zu holen. Die Bezahlung! Wir haben das Warten satt.«
»Bezahlung?« fragte ich. »Wofür?«
Für eine lange Sekunde begegneten sich unsere Blicke.
Während ich ihn immer noch festhielt, drehte ich mich ein
Stück zu Hellesø herum. Sein Gesicht war dunkelrot geworden,
und um seinen Mund zuckte es.
Ich wandte mich wieder dem Jungen zu. »Hat Hellesø vielleicht auch dich vertreten?«
»Ja, so hab’ ich …«
»Halt die Schnauze, Kamal!« bellte Asbjørn Hellesø.
»Kamal? Ich dachte, du hießest – Amir?«
»Kein Wort!«
Ich faßte noch fester zu. »Richtig. Kein Wort. Was zu sagen
ist, wirst du der Polizei sagen.« Ich schob ihn zur Tür.
Hinter uns bellte Asbjørn Hellesø: »Veum!«
Ich drehte mich zu Frau Bang. »Ob Sie vielleicht so nett sein
könnten und endlich wirklich die Polizei anrufen?«
Er nutzte die Gelegenheit, da ich abgelenkt war. Mit einem
Ruck riß er sich los, zielte mit einem Fuß gegen mein Schienbein und rannte mich um. Ich fiel nach hinten und fing mich ab.
Das reichte, um den Aufprall zu dämpfen, konnte aber nicht
verhindern, daß ein dumpfer Schmerz mir durch Unterarm und
Handgelenk schnitt. Mit einem häßlichen kleinen Knall schlug
mein Hinterkopf gegen die Wand.
Halb betäubt hörte ich das Geräusch einer Tür, die aufgerissen
wurde, einen Aufschrei von Frau Bang und laufende Schritte,
die langsam im Korridor verhallten.
Asbjørn Hellesø machte einen schweren Schritt nach vorn, wie
ein Bär beim Angriff, dann besann er sich.
Ich kam wieder auf die Beine, schüttelte vorsichtig den Kopf
und stützte mich gegen die Wand. Der Raum um mich herum
schwankte.
Mit einer langsamen Bewegung drehte ich mich wieder zu
Asbjørn Hellesø und Frau Bang. »Wer hat mir bloß die Straßenbahn an den Kopf geschmissen? War das einer von euch?«
Als keiner antwortete, wandte ich mich zur Tür. Mit einem
matten Gruß ging ich hinaus.
Ich fühlte mich nicht wie ein Held. Und ich hatte recht. Ich
war auch keiner.
    * Vidkun Quisling: Gründete 1933 die norwegische nationalsozialistische
Partei, »Nasjonal Samling«, ernannte sich selbst nach der Okkupation durch
die Deutschen zum Staatsminister, wurde aber von diesen zum Rücktritt
gezwungen. 1942 »Ministerpresident« einer »nationalen Regierung«; wurde
1945 wegen Landesverrats zum Tode verurteilt und hingerichtet.
50
P. E. Jansson stritt alles ab. Als früherer Polizist kannte er alle
Tricks. Er sagte kein Wort.
    Aber die Haut- und Blutreste, die man unter den Nägeln Trude
Solbakkens gefunden hatte, wurden genetisch getestet und
paßten zu ihm – und den Wunden auf seinen Handrücken. Eine
Frau, die am Sonntag abend Reklamebroschüren in die Briefkästen verteilt hatte, identifizierte ihn bei einer Gegenüberstellung
als den Mann, dem sie Auge in Auge gegenübergestanden hatte,
als er das Haus in der Sannergate verließ. Nach allem Vorausgegangenen konnte sie sich glücklich preisen, daß sie immer noch
in der Lage war, ihre farbenfrohen Drucksachen zu verteilen.
    Kamal Mouhammad wurde spät am Mittwoch abend von der
Polizei aufgegriffen. Donnerstag vormittag gestand er, daß
Asbjørn Hellesø ihn und seine Kumpels angeheuert hatte, um
mich zusammenzuschlagen, und es war Hellesø gewesen, der
ihnen gesagt hatte, wo ich zu finden sei. Hellesø bestritt alles. Es
sei Schwachsinn und Spinnerei, aus der Luft gegriffen, ausschließlich mit dem Ziel, ihm zu schaden. Aussage stand gegen
Aussage, und es gab wenig Zweifel darüber, wie das Resultat
ausgesehen hätte, wäre der Fall vor Gericht gekommen. Die
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