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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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Glaubwürdigkeit eines norwegischen Rechtsanwalts beim Verfassungsgericht stand gegen die eines dunkelhäutigen Ausländers mit schon nicht mehr ganz sauberem Führungszeugnis.
Preben Backer-Steenbergs Tod wurde nie als Mord definiert.
    Merete Loewe konnte sicher nach Schweden zurückfahren und
ihren zweiten Ehemann dort begraben.
Die Umstände um Mons Vassendens Tod wurden, natürlich,
auch nie ganz geklärt. Man fand zwar einen Abdruck von Svein
Groruds linkem Daumen am Türrahmen der Toilette, in der sich
Vassenden angeblich erhängt hatte. Aber da Svein Grorud nicht
mehr zur Rechenschaft zu ziehen war, wurde dem Fall so wenig
Bedeutung beigemessen, daß auch er auf dem Stapel der
eingestellten Verfahren endete.
Marit Johansen überlebte. Aber die Prognosen waren düster.
Das Rückgrat war gebrochen, und wenn nicht ein Wunder
geschah, würde sie für den Rest ihres Lebens querschnittsgelähmt bleiben.
Am Freitag abend, direkt vor der Visite, fuhr ich zum Krankenhaus, um sie zu besuchen.
Ich fand sie in einem Einzelzimmer, merkwürdig klein zwischen all den Überwachungsgeräten, an die sie angeschlossen
war. Eine dunkelhaarige, junge Schwesternschülerin saß mit
einem kleinen Notizbuch in der Hand neben dem Bett und
überwachte auf einem schwarzen Schirm die grüne Kurve von
Marits Herzfrequenz. Die Kurven waren regelmäßig und undramatisch. Sie lag von der Brust abwärts in einer Art Gipspanzer,
nur mit einem leichten Laken zugedeckt. Durch eine Kanüle im
Unterarm bekam sie Nahrung aus einer großen, durchsichtigen
Tropfflasche über dem Bett zugeführt. Zwei Elektroden klebten
mit Hilfe von Pflastern auf ihrer Stirn. Sie übertrugen die
Gehirnströme zu einem Gerät neben dem Kopfende, wo sie wie
seismographische Messungen auf eine dicke Papierrolle gezeichnet wurden.
Die Schwesternschülerin erhob sich, als ich hereinkam. Mit
einem scheuen Lächeln erklärte sie mir, wie die Kurven auf dem
Bildschirm auszusehen hätten und daß ich Bescheid geben sollte, wenn Unregelmäßigkeiten aufträten.
Ich nickte und lächelte, und sie ließ mich mit der Patientin
allein, ohne zu fragen, wer ich sei. »Es geht schon besser«,
flüsterte sie aufmunternd, als sie ging.
Marit Johansen lag mit geschlossenen Augen auf dem Rücken.
Nichts ließ vermuten, daß sie merkte, daß sie Besuch hatte.
Auf ihrem Nachttisch standen zwei Blumensträuße und auf
einem Rolltisch am Fenster standen drei weitere. Vor dem Fenster im Park des Krankenhauses trugen die Baumkronen Gelb
und Rot, als hätten sie etwas zu feiern.
Ein Strauß stach durch seinen Umfang und die Auswahl der
Blumen heraus. Es war ein Arrangement herbstfarbener Gladiolen und Chrysanthemen, golden in der Abendsonne. Ich erkannte sofort die dunkelgrüne Tinte und die charakteristische Schrift
wieder, von dem Brief, den ich nach Ullersmo mitgenommen
hatte.
Vorsichtig holte ich die Karte heraus und las, was darauf
stand: Alles Gute! Wenn du etwas brauchst, melde dich! Jede
nur mögliche Unterstützung sei dir gewiß. A. H.
Ich betrachtete sie. Sie hatte jetzt die Augen geöffnet und
starrte hilflos zu mir herüber. Die Kurven auf dem schwarzen
Schirm waren heftiger geworden.
»Hallo, Marit.«
Sie zog die Mundwinkel zu den Seiten hoch zu so etwas wie
einem Lächeln.
Ich berührte leicht die Karte zu dem großen Blumenstrauß.
»Also er hat dich dazu gebracht, die ganze Zeit zu erzählen, wo
ich war. Und er hat dich auch gebeten, mir das Märchen von
Amir zu erzählen.«
Sie holte behutsam Luft, als täte das Atmen ihr weh.
»Aber Amir kannte keine Marit. Er hieß nicht einmal Amir,
sondern Kamal.«
Ihre Augen wurden kugelrund. Ihr Gesichtsausdruck verriet
Schmerz.
»Hast du ihm dasselbe wie mir erzählt, von dem, was dort bei
Grorud passiert ist? Er hat ja selbst dort angerufen. Erkannte er
vielleicht deine Stimme wieder?«
Sie schloß die Augen, wie um alle Geräusche auszusperren.
»Aber er war nicht dein heimlicher Freund, oder? Er hat euch
eher einander vorgestellt, nehme ich an – nach einem Geschäftsleitungsessen zum Beispiel? Seinetwegen hast du es getan,
stimmt’s? Und jetzt wissen wir beide, warum er zu eurer Verabredung am letzten Samstag nicht kam …«
Ein Zucken durchfuhr ihren Oberkörper. Dann öffnete sie die
Augen wieder. Tränen stachen wie Eissplitter daraus hervor.
Ich lächelte traurig. »Preben Backer-Steenberg, stimmt’s? Du
gabst ihm alles.« Hilflos hob ich die Hände. »Sogar dies.«
Sie formte die
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