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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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ein, zwei
halbvolle Wassergläser, und schob ihm das eine hin.
Er ergriff es begierig, hob es zum Mund und leerte es zur
Hälfte in einem Zug.
Ich nippte etwas vorsichtiger und murmelte: »Bedien dich nur.
Es ist noch mehr da.«
Er lächelte dankbar, kippte den Rest in sich hinein und schob
das Glas diskret wieder zu mir herüber.
Nicht ohne Erleichterung stellte ich fest, daß er das Glas
diesmal stehenließ, jedenfalls eine Weile. »Danke dir, Veum.
Das tut gut.«
»Also, vielleicht alles noch mal der Reihe nach?«
»Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll. Wohl am besten auf der
Trabrennbahn.«
»Aha. Du hast zu hoch gespielt?«
»Zu hoch. Und zu lange.«
»Wie lange?«
Er räusperte sich vorsichtig. »Pferdefan war ich schon als
Junge. Ich bin nicht weit von der Trabrennbahn in Skjold
aufgewachsen. Wir waren eine Gang von Jungs, die sich jede
freie Stunde bei den Ställen rumtrieb. Die Besitzer kannten uns
irgendwann, und bald bekamen wir kleine Jobs – gaben den
Pferden Futter, fegten den Boden, legten ihnen Decken auf und
führten sie auf die Bahn.« Sein Gesicht bekam einen Ausdruck
von Wärme. »Es war, wie im Paradies aufzuwachsen, Veum!«
Dann verdunkelten sich seine Züge wieder. »Und die Hölle,
wenn man darin hängenblieb.«
»Und wann – fingst du an hängenzubleiben?«
Er rutschte unruhig hin und her. »Es dauert viel zu lange,
wenn du meine ganze Lebensgeschichte hören willst.«
»Das w …«
Er unterbrach mich. »Da gibt es so vieles. Zwei gescheiterte
Ehen, Kinder, die von zu Hause wegliefen, im Rausch und aus
Leichtsinn verspielte Häuser – und heute sitze ich hier vor dir,
Veum, wie ein reuiger Sünder, mit leeren Händen und einem
Fuß im Grab.«
Er griff nach dem Glas. Es war nicht leer. Noch nicht.
»Und wie – genau – ist deine Situation heute?«
Er leckte sich die Lippen, wie um sicherzugehen, daß ihm
nicht ein Tropfen Aquavit entging. »Sagt dir der Name Birger
Bjelland was?«
Wieder das Kneifen im Magen. »Ja.« Ich sah mich im Raum
um. »Er ist sogar mal hier gewesen. Ungebeten.« Ich nickte zum
Wasserglas. »Er lud mich zu einem Drink ein. Einem viel zu
großen.«
Mons Vassenden sah mich forschend an. Dann fuhr er fort.
»Aber dann weißt du – daß er hinter einem Großteil d-der
grauen – des grauen Geldmarktes in der Stadt steht?«
»Das habe ich gehört. Aber du sagtest doch, du hättest in Oslo
Schulden, oder?«
Das Taschentuch kam wieder hervor. Er knetete behutsam
seine Stirn, wie ein Bildhauer bei der Feinarbeit an einem neuen
Werk. »Da auch.«
»Nehmen wir die Kurzversion, damit wir die Summe auf den
Tisch kriegen?«
»Ja. Die K-k-kurzversion. Ich habe zu hoch und zu lange
gespielt. Natürlich hab’ ich auch einiges gewonnen, aber … Ich
weiß nicht, wie gut du das Reitsportmilieu kennst, Veum?«
»Gut genug, um nie einen Fuß auf eine Trabrennbahn zu
setzen.«
»Ge-genau. Aber es ist ein ganz eigenes Leben. Eine Welt für
sich. Mit ihren eigenen Gesetzen und Regeln. – Ich gewann, und
um dem Erfolg gerecht zu werden, setzte ich den Gewinn wieder
ein, lieh mir mehr, setzte Haus und Grundstück als Pfand ein –
und verlor. Also mußte ich noch mehr leihen, um das Verlorene
wieder auszugleichen. Und so dreht sich das Karussell. Schneller und schneller, bis du die Kontrolle verlierst, nur noch
mitgeschleift wirst – auf den Abgrund zu. Als ich nichts mehr
als Pfand einzusetzen hatte, war auch in den gewöhnlichen
Kreditinstituten kein Geld mehr zu holen.«
»Und da stand Birger Bjellands Tür offen, und er bat dich
herein?«
»Jaa. Da war Birger Bjelland da, nett und hilfsbereit. Anfangs
zumindest. Aber auch er hielt das Karussell nicht an. Er verlangsamte nur das Tempo – für eine Weile. Zum Schluß schuldete
ich ihm so viel, daß … Und da kam er dann mit diesem Pferd.«
»Welchem Pferd?«
»Ein französischer Supertraber. Araberhengst mit einem
Renommee wie Marie Antoinettes oberster Liebhaber.«
»Ach ja? Und wie war der?«
»Gut, Veum. Gut. «
»Und dieser Superlover, was solltest du mit dem?«
»Einen Anteil an ihm kaufen.«
»Welchen Teil?«
» Einen Anteil. Wenn ich einen ordentlichen Betrag investierte,
dann sollte das als Tilgung der Schulden gelten. Und er garantierte mir – er garantierte, Veum! –, daß ich im Laufe von ein
paar Jahren verdienen würde, was ich investiert hatte, mit Zins
und Zinseszins, nur durch Prämien. Und wenn seine Karriere
einmal vorbei wäre – ein Hengst mit seinen
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