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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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Qualifikationen …
Er hätte als Zuchthengst ein Vielfaches eingebracht.«
»Aber diese Garantie brachte nichts, wenn ich dich richtig
verstanden habe?«
»Volltreffer, Veum! Zuallererst kamen unerwartete Extrakosten – Fracht und Zoll, von denen Bjelland gemeint hatte, der
Verkäufer würde sie decken. Dann wurde das Pferd in seinem
ersten Rennen verletzt. Zuerst hieß es, es sei nur eine MuskelVerletzung, eine Zerrung. Dann war es etwas mit dem Knie.
Aber jetzt scheinen sie herausgefunden zu haben, daß der eine
Oberschenkelknochen gesplittert ist. Es ist nicht sicher, ob er
jemals wieder laufen wird.«
»Er ist also noch immer im Lande?«
»Bei einem Tagessatz, als wohnte er im SAS-Royal! Du
solltest die Rechnungen sehen, die ich bekommen habe, Monat
für Monat. Birger Bjelland hat gesagt, wenn wir Glück hätten,
könnten wir ihn an irgendeinen Schweden verkaufen. Aber nicht
einmal Schweden sind so dumm, oder, Veum?«
»Wenn du mich fragst, ich glaube nicht, daß Schweden soviel
dümmer sind als Leute, denen man hierzulande begegnet«,
antwortete ich, ohne ihn direkt anzusehen.
Von beiden Seiten des Schreibtisches streckten wir unsere
Hände nach den Gläsern aus, hoben sie und tranken.
Er setzte sein Glas hart wieder ab. »So, das war’s mal wieder.«
»Aber – wo kriegst du denn jetzt das Geld her? Für die Extrakosten?«
Er zog eine Grimasse, als hätte ihm der Schnaps nicht geschmeckt.
»Birger Bjelland hat mir einen Kontakt beschafft – im
Østland.« Er sagte Østland so, wie einige Bergenser es gern tun,
als läge es in der Äußeren Mongolei.
»Genau. Und da sitzt du nun?«
»Da sitze ich nun. Auf dem Schoß von Grorud Inkasso A/S.
Ich spüre ihren Atem im Nacken. Gleich werden sie mich
verspeisen.«
»Aber du hast Geld beschafft, sagst du?«
Er nickte unwillig. »Ich habe das Auto verkauft, den Fernseher, alles! Ich habe einen Käufer für die Wohnung – weit unter
Preis natürlich, aber er zahlt bar. Die Bank war immerhin so
nett, mir einen Vorschuß zu geben.«
»Dieselbe Bank?«
»Eine neue Bank. Kurz gesagt, ich hab’ das Geld. Aber einen
Tag zu spät.«
»Besser spät als …«
»Und wenn ich wieder nach Hause komme, stehe ich im
Regen. Ohne Geld, ohne Wohnung, ohne Arbeit – ohne alles! Wenn ich wieder nach Hause komme …«
»Aber du hast bis morgen Aufschub bekommen?«
»Formal jedenfalls. Aber im Prinzip habe ich eine der wichtigsten Regeln verletzt. Eigentlich sollte ich bis heute fünfzig
Prozent der Zinsen gezahlt haben, und so viel Geld krieg’ ich
einfach nicht zusammen. Und du erinnerst dich an das, was ich
vorhin gesagt habe? Diese Welt hat ihre eigenen Gesetze. Weißt
du, wie die Strafe für eine versäumte Rückzahlung aussieht?«
»Ich habe einen Verdacht.«
Er zeigte auf seine Knie. »Sie können dir zum Beispiel eine
Kniescheibe zerschmettern. Oder beide. Ich hab’ verdammt
noch mal keine Lust, im Rollstuhl nach Hause zu kommen,
Veum!«
Seine Hand zitterte, als er nach dem Glas griff und es leerte.
Meine Hand zitterte möglicherweise auch ein wenig, als ich
ihm einen neuen Schnaps eingoß. Diesmal füllte ich das Glas bis
zum Rand. Ich hatte das Gefühl, daß er es verdient hatte.
»Und dafür brauchst du also einen – Leibwächter?«
»Ich werde bezahlen, Veum!«
»Aber hast du nicht gerade gesagt, daß du …«
»Ich hab’ es eingerechnet und was zurückgelegt, vom Gesamtbetrag – wenn wir auf die billigste Art und Weise übers
Fjell kommen.«
»Hast du ein Tandem?«
»Wir nehmen heute abend den Nachtzug, auf einfachen Sitzplätzen.«
»Das klingt exotisch. Als ich das zuletzt gemacht habe, war
ich beim Militär, vor dreißig Jahren.«
»Ich werde be …«
»Schreib deine Versprechen auf die Rückseite deines nächsten
Kontoauszuges, Vassenden.«
»Ehrenschulden bezahle ich immer.«
»Das sagtest du bereits.«
»Nimmst du den Auftrag an?«
»Ich – habe einen Sohn, der in Oslo studiert. Ich könnte es mit
einem Besuch bei ihm verbinden.«
Er sah mich flehentlich an. »Ja?«
»Ja. Auch wenn es nicht gerade …«
»Dann gehe ich sofort zum Bahnhof und kaufe Fahrkarten.
Und wir sehen uns – heute abend?«
»Heute abend.«
Ich hob mein Glas darauf, wie um die Abmachung zu bestätigen.
Er leerte seines und stand auf, um zu gehen. Er sah nicht mehr
ganz so niedergeschlagen aus wie zu Anfang, aber besonders
fröhlich wirkte er auch nicht.
Er war ein Bote des Herbstes, ein Verkünder von Untergang
und Tod.
Langsam nippte ich mein eigenes
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