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Begrabene Hunde schlafen nicht

Begrabene Hunde schlafen nicht

Titel: Begrabene Hunde schlafen nicht
Autoren: Gunnar Staalesen
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Glas leer.
Dann machte ich das Licht aus, schloß das Büro ab und ging
nach Hause, um zu packen.
2
    Auf einem Sitzplatz im Nachtzug zu fahren ist, wie eine
geschlossene Landschaft in einem langen Tunnel zu durchqueren.
    Das Licht im Abteil ist schwach. Im Fensterglas siehst du dein
Spiegelbild und das anderer Gesichter, nur ab und zu durchleuchtet von einem vorbeifahrenden Bahnhofsgebäude, einer
beleuchteten Wegstrecke oder einem der Lichtsignale an den
Gleisen.
    Du wirst fortbewegt, nicht nur durch die Landschaft, auch
durch die Zeit, vom vergangenen Abend zum nächsten Morgen.
Das monotone Geräusch der Räder auf den Schienen tickt wie
eine Uhr durch deinen Körper, der dasitzt und angenehm
vibriert, irgendwo im Niemandsland zwischen Wachen und
Schlafen. Das heißt, wenn du allein reist. Nicht in Begleitung
von Mons Vassenden.
    Von Bergen nach Voss war das Abteil ziemlich voll, lautstarke
Vossinger auf dem Weg nach Hause nach einem früh beendeten
Abend in der Stadt. Zwischen Voss und Hønefoss begleitete uns
nur ein verspätetes Interrail-Paar aus Kanada; die meiste Zeit
dösten die beiden, die Köpfe aneinandergelehnt, vor sich hin wie
zwei vergessene Stoffpuppen im Regal eines verlassenen
Spielwarenladens. Mons Vassenden konnte seine ganze Aufmerksamkeit mir widmen.
    Er saß neben mir und zitterte vor Nervosität. Schon bei
Vaksdal hatte er mir das tiefste Geheimnis und die größte
Wahrheit seines Lebens anvertraut. »Ich habe viel Scheiße
gesehen in meinem Leben, Veum.«
    »Ja, du hast wohl …«
»Weißt du, ich bin Installateur von Beruf.«
»Ach ja, also du meinst …«
»Aber jetzt habe ich nicht einmal mehr Zeit, meinem Beruf
    nachzugehen. Meine ganze Zeit geht damit drauf, Geld zu
beschaffen, um die Schulden abzuzahlen. Neue Einsätze, neue
Gewinne und – neue Verluste.«
    »Aber es müßte doch möglich sein … Ich meine, Installateure
sind nicht gerade billig, wenn du von ihnen abhängig bist.«
»Ja, schon. Ich könnte am Tage weiß- und die ganze Nacht
schwarzarbeiten, ohne daß es das geringste nützen würde. Wenn
du erst mal in die Klauen des Spielteufels kommst, dann …«
»Hast du es mit einer Dämonenaustreibung versucht? So was
wird in Os billig angeboten.«
»Ich hab’s versucht, Veum!«
Ich hob die Augenbrauen. »Wirklich?«
»Die Ehe, Veum! Wirkt sie nicht viel stärker als eine Dämonenaustreibung?«
»Tja …«
»Soll ich dir von meinen Ehefrauen erzählen?«
»Nicht unbedingt, aber …«
»Irgendwie habe ich das Gefühl, dir erklären zu müssen, wie
ich in diese Situation geraten bin.«
»Und dabei vergeht natürlich die Zeit schneller«, fuhr ich fort
und sah, wie der Nachtschlaf sich an unserem Abteil vorbeidrückte zum nächsten, ohne auch nur einen Blick in meine
Richtung zu werfen.
Zwischen Dale und Mjolfjell erzählte er mir das meiste aus
seiner ersten Ehe, die von 1962 bis 1976 gedauert hatte. Mit
Cecilie: »Meine große Liebe, Veum«, in mehr als einem Sinne.
Sie war zehn Zentimeter größer als er, Zahntechnikerin, Mutter
seiner beiden ältesten Kinder, eines Sohns, der jetzt Ende
Zwanzig sein mußte und Elektriker war, und einer Tochter von
vierundzwanzig, die Krankenschwester war. »Sie ist die einzige,
die mich versteht, Veum.«
»Wer? Deine Tochter?«
»Anna, mein Augenstern.«
Ungefähr bei Reimegrend ging die Ehe in die Brüche. Da war
der Sohn dreizehn und die Tochter acht. Der Grund für den
Bruch war Mons Vassendens jahrelanger Spielwahn, der direkte
Anlaß ein verpaßter Babysittertermin am 8. März; er hatte, in
ein Spiel vertieft, in einem Kellerlokal der Stadt gesessen.
Die nächste Ehe spielte sich zwischen Myrdal und Gol ab. Sie
hätte eigentlich glücklichere Voraussetzungen haben sollen, da
er seine neue Frau im Trabrennmilieu getroffen hatte, eine kettenrauchende Manisch-Depressive mit Hang zu Nerzpelz und
Seidenunterwäsche. Nach zwei Geburten, beides Jungs, 1980
und 82, und einem Zusammenbruch mit darauffolgender Einweisung wurde sie von einem verständnisvollen Pfleger der
Pfingstgemeinde bekehrt, kam als nichtrauchende Fundamentalistin mit Jesus im Rücken wieder ans Tageslicht und verlangte
von Mons Vassenden, daß er mitzog. Diesem Anspruch konnte
er nicht genügen. Als sich dann noch erwies, daß der Pfleger aus
der Pfingstgemeinde mit allen Formen des Handauflegens
arbeitete, endete das Ganze damit, daß die Ehefrau mit Sack und
Pack und beiden Jungs nach Flekkefjord zog, wo der Pfingstgemeindler eine
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