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be-coming

be-coming

Titel: be-coming
Autoren: Simon Rhys Beck
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Kälte des Messers an meiner Haut.
    »Beweg dich nicht. Die Klinge ist beidseitig geschliffen.«
    Ich schloss für einen Moment die Augen und versuchte mir einzuprägen: Nicht bewegen. Egal, was passiert, bloß nicht bewegen.
    Als ich die Augen wieder öffnete, stand Phil an meinem Kopf; er hielt die Rumflasche in der Hand.
    »Was hast du vor?« fragte ich flüsternd.
    Er fuhr mit der Hand in meine Haare und zwang meinen Kopf zur Seite. Dann schüttete er etwas von dem Alkohol in mein Ohr. Es war ein ausgesprochen unangenehmes Gefühl, ich begann, mich zu wehren, was leider zur Folge hatte, dass der Rum auch in meine Augen lief. Das brannte höllisch. Ich unterdrückte nur mit Mühe einen Schrei.
    Ungerührt wiederholte Phil die Prozedur auf der anderen Seite.
    Ich stöhnte, fühlte mich total benommen. Mein Kopf war voll; angefüllt mit Rum. Phil goss einen großen Schluck in meinen Mund. Ich kämpfte, schluckte, hustete. Das fing ja gut an. Aber das dachte ich nur noch ganz am Rande.
    Irgendwie bekam ich mit, dass Phil Cieran hereinbrachte. Cieran? Was sollte der denn hier?
    »Was soll das?« fragte ich gurgelnd. Ich drehte meinen Kopf, um Cieran anzusehen. Mir wurde schwindelig. Cieran sollte mich nicht so sehen! Doch ich konnte es nicht verhindern, ich konnte ja kaum noch klar denken.
    Ich hörte Stimmen, Gemurmel. Keine Worte. Keine Worte mehr. Ich verlor nicht das Bewusstsein. Ich driftete nur weg.
    Bis er sich über mir aufbaute. Nibo.
    Er materialisierte sich einfach zu der Form, die ich schon kannte. Doch er blieb eindeutig unmenschlich. Seine Energie, seine Stimme waren eher in mir als äußere Realität. Ich war benommen – was passierte hier?
    »Ich fühle mich geehrt«, begrüßte er mich dumpf. Es klang böse und spöttisch.
    Auf einmal erkannte ich das Symbol. Das Symbol, das ich damals im Wald gesehen hatte. Das Zeichen ... ein Zeichen für mich ...
    Worte. Wieder Worte. Ich sah, was er vorhatte; was er tat. Dann löste sich alles in mir in Schmerz auf. Ich hörte einen Schrei, vielleicht war es mein eigener.
     

47
    FALK
    Ein Jahr später...
     
    Cieran und ich wanderten gemächlich über den sich langsam leerenden Strand von Santa Monica und genossen den wunderschönen Sonnenuntergang. Ich spürte Cierans schmale Hand unter meinem Hemd, als er den Arm um mich legte.
    Nibo hatte sein Wort gehalten – doch der Preis, den ich dafür gezahlt hatte, war hoch gewesen. Die Erniedrigungen und die Schmerzen hatten sich in mein Gedächtnis eingebrannt, unauslöschbar. Es war mit nichts vergleichbar, was ich jemals in dieser Welt erlebt hatte.
    Er hatte darauf bestanden, dass Cieran zusah. Dass er sah und fühlte, was mit mir geschah. Ich erinnerte mich an Cierans blankes Entsetzen, an Nibos dunkles Gelächter, das den ganzen Raum erfüllte. Cieran hatte ihn angefleht, aufzuhören – doch ich war bereit, diese Torturen für ihn durchzustehen. Auch wenn ich zwischenzeitlich befürchtete, den Verstand zu verlieren. Cieran hatte alles miterleben müssen; er war durch seine Gabe so sensibel, dass er fast ebenso gelitten hatte wie ich. Wahrscheinlich hatte Nibo das gewusst. So hatte er uns beide gehabt ...
    Nun war von Cierans Behinderung nur noch sein leicht schlurfender Gang zurückgeblieben.
    »Hättest du gedacht, dass Eve den Jungen adoptiert?« fragte er.
    Ich grinste ihn an. »Sie hat so eine soziale Ader. – Außerdem ist Neil ein ungewöhnlicher Junge. Er zieht einen in seinen Bann.«
    »Aber nach dem, was er schon alles mitgemacht hat ...« Cieran runzelte die Stirn. »Als Eve erzählte, er hätte sich Jerome angeboten , als dieser einmal wütend auf ihn war, dachte ich wirklich, das war’s.«
    Ich lachte. »Eve war total erschüttert. Aber Jerome hat das ganz ruhig weggesteckt. Hätte ich ihm nicht zugetraut.«
    »Ich auch nicht. Er macht im ersten Moment einen etwas schwerfälligen Eindruck.«
    »Aber Eve hat ihn in der Hand. Er liebt sie wirklich – sie kann tun und lassen, was sie will.«
    »Ihr wärt eine hübsche kleine Familie, Eve, Nicholas, Neil und du«, sagte Cieran nachdenklich. »Wenn Jerome nicht wäre ...«
    Ich lächelte ihn an. »Wenn du nicht wärst, mein Lieber.«
    Er drückte sich dankbar an mich. »Eines Tages wird Neil sich an Sergio Pralja rächen. Ich spüre es, er hat so einen dunklen Fleck auf seiner Seele, den er immer sorgsam versteckt.«
    Ich sah ihn neugierig an. »Und – wirst du dann an seiner Seite sein?«
    Er zuckte mit den Schultern.
    Ein junger, athletischer
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