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be-coming

be-coming

Titel: be-coming
Autoren: Simon Rhys Beck
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davongetragen, ich hörte ihn nur, weil er mir so nah war. Nur mit Mühe hielt er die Augen offen. Ich sah den Schmerz in ihnen flackern, seine Pupillen waren geweitet.
    Ich schlang die Arme um ihn, vergrub mein Gesicht für einen Augenblick an seinem Kragen.
    »Ich weiß es nicht.«
    Er hauchte einen Kuss auf meine Wange. »Das glaube ich dir nicht.«
    Doch ich kam nicht dazu, ihm zu antworten, denn plötzlich hörten wir einen wahnsinnigen Knall, das Beben dröhnte durch den Boden, vibrierte unter unseren Füßen. Eine rot glühende Feuersäule schoss in den Himmel, wir sahen sie, starrten wie gebannt darauf, obwohl wir uns ja mitten im Wald befanden.
    »Der Hubschrauber«, sagte Cieran schließlich rau.
    Ich nickte. Mir war nicht klar, wie wir das überhaupt hatten sehen können. Oder war es Phil, der das gesehen hatte? Konnten wir Phils Gedanken sehen ? Denken?
    Der Wind riss noch immer an unseren Jacken, ich schob Cieran noch tiefer in die Höhle hinein. Hoffentlich sprang das Feuer nicht auf den Wald über, doch bei den anhaltenden Regenfällen der letzten Tage war das glücklicherweise unwahrscheinlich. Der Regen, der nur Sekunden nach der Explosion einsetzte, brach wie eine Sturzflut aus den Wolken. Dicke Tropfen prasselten auf den ohnehin schon schlammigen Waldboden.
    Ich drängte mich näher an Cieran, um nicht völlig durchnässt zu werden.
    Es war jetzt so dunkel im Wald, als wäre die Dämmerung bereits hereingebrochen. Nur die gelbroten Flammen des brennenden Hubschrauberwracks schimmerten entfernt durch die schwarz erscheinenden Stämme der alten Bäume. Es war beängstigend. Fast, als wären Cieran und ich heimliche Beobachter eines Hexentanzes in der Walpurgisnacht. Doch der sintflutartige Regen löschte bald auch diese Lichtquelle. Wir verharrten reglos in unserem Versteck. Ich verlor jegliches Gefühl für die Zeit.
    Als der Regen aufhörte, senkte sich Stille über den Wald.
    Wir verließen die Höhle, vorsichtig. Ich traute dem Frieden nicht.
    Es dauerte eine Zeit lang, bis wir den Pfad wiedergefunden hatten, der uns zurück zur Holzhütte führte. Unsere Schuhe machten nasse, quietschende Geräusche auf dem schlammigen Weg. Wir ließen uns mehr Zeit, als nötig war. Auch Cieran schien dem voraussichtlichen Chaos, das sich uns bieten würde, nicht gerade entgegeneilen zu wollen.
    Ich betrat als Erster die Lichtung mit dem kleinen Parkplatz. Weder neugierig noch besonders mutig, doch ich musste wissen, was mit Phil passiert war.
    Überall lagen Wrackteile des Hubschraubers verstreut, ich hoffte, dass wir nicht auch auf Teile des Piloten stießen. Das Erdreich vor der Hütte war aufgewühlt durch Reifenspuren – von einem Geländewagen, wie ich unschwer feststellen konnte. Sie waren also nicht nur mit einem Hubschrauber angerückt. Sie hatten Phil auf jeden Fall erwischen wollen. Verdammt. Und wo war er jetzt?
    Cieran war noch ein ganzes Stück hinter mir. Er kam nur zögernd näher.
    »Es ... ist was passiert«, sagte er stockend. Er sah mich nicht an; sein Blick war nach innen gerichtet. Er wirkte völlig verstört.
    Mit Kraft riss ich die Tür der Hütte auf, obwohl sich alles in mir dagegen sträubte. Ich mochte mir nicht vorstellen, was für ein Anblick mich erwartete.
    Doch was ich sah, übertraf meine schlimmsten Erwartungen: Sie hatten alles durchwühlt, die Schränke waren komplett ausgeräumt worden, zerschlagenes Porzellan, zerrissene Bettwäsche, zerfledderte Bücher bedeckten den Fußboden. Selbst die Vorhänge hatten sie von den Fenstern gerissen! Und in diesem Chaos, auf dem Boden, lag Phil. Blutüberströmt. Und in seinem Brustkorb steckte ein langes Küchenmesser. Sie hatten ihm umgebracht!
    Ich erstarrte. Spürte, wie alles Blut aus meinem Gesicht wich. Ein Schrei wollte sich aus meiner Kehle lösen, doch es war nur ein raues Keuchen, ein angestrengtes Würgen. Das konnte doch nicht sein! Das konnte doch alles nicht wahr sein! Dafür waren wir mit ihm geflohen? Dafür, dass er nun hier lag? Verdammt! Er war tot.
    Ich schluckte, wollte mich seinem Körper nähern. Doch meine Füße waren wie festgewachsen. Meine Lippen zitterten. Scheiße, nein ... Warum musste das passieren? Warum zur Hölle?
    Ich hörte, wie Cieran hinter mir die Hütte betrat und drehte mich um. Er sah meinen Gesichtsausdruck, der seine Ahnung bestätigte.
    »Raus!« schrie ich ihn an. »Bleib draußen!«
    Erschrocken wich er zurück.
    Ich rannte zur Tür und schlug sie ihm vor der Nase zu.
    Langsam ging ich
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