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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino
Autoren: Umberto Eco
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müssen auch noch meine Waffen sein.«
    »Du willst fortgehen?« fragte Niketas.
    »Ja«, sagte Baudolino. »In der Zeit auf der Säule habe ich vieles begriffen. Ich habe begriffen, dass ich gesündigt hatte, aber nie, um zu Macht und Reichtum zu kommen. Ich habe begriffen, dass ich, wenn ich Vergebung erlangen will, drei Versprechen einlösen muss. Erstens: Ich hatte mir vorgenommen, einen Gedenkstein für Abdul errichten zu lassen, und deswegen hatte ich seinen Täuferkopf an michgenommen. Das Geld ist nun anderswoher gekommen, und das ist besser so, denn es stammt nicht aus simonistischem Handel mit falschen Reliquien, sondern aus Spenden von guten Christen. Ich werde die Stelle wiederfinden, wo wir Abdul begraben haben, und werde ihm eine Kapelle errichten.«
    »Aber du weißt doch gar nicht mehr, wo er gestorben ist!«
    »Gott wird mich führen, und ich habe Kosmas' Karte im Kopf. Zweitens: Ich hatte meinem guten Vater Friedrich – um nicht von Bischof Otto zu reden – ein hochheiliges Versprechen gegeben, und bis heute habe ich es nicht gehalten. Ich muss ins Reich des Priesters Johannes gelangen. Sonst hätte ich mein Leben umsonst gelebt.«
    »Aber ihr habt doch mit Händen gegriffen, dass es nicht existiert!«
    »Wir haben mit Händen gegriffen, dass wir nicht hingelangt sind. Das ist etwas anderes.«
    »Aber ihr seid euch doch klar geworden, dass die Eunuchen logen.«
    »Dass sie vielleicht logen. Aber nicht gelogen haben konnten der gute Bischof Otto und die ganze Tradition, die davon handelt, dass es den Priester irgendwo gibt.«
    »Aber du bist nicht mehr so jung wie damals, als du es das erste Mal probiert hattest!«
    »Ich bin klüger geworden. Drittens: Ich habe dort einen Sohn oder eine Tochter. Und dort ist Hypatia. Ich will sie wiederfinden und sie beschützen, wie es meine Pflicht ist.«
    »Aber es sind mehr als sieben Jahre vergangen!«
    »Dann wird das Kind mehr als sechs Jahre alt sein. Ist ein Kind von sechs Jahren nicht mehr dein Kind?«
    »Aber es könnte ein Knabe sein und folglich ein Satyr-den-man-nie-sieht!«
    »Und es könnte auch eine kleine Hypatia sein. Ich werde das Geschöpf in jedem Fall lieben.«
    »Aber du weißt nicht, wo die Berge sind, in die sie sich geflüchtet haben!«
    »Ich werde sie suchen.«
    »Aber Hypatia könnte dich vergessen haben.Vielleicht wird sie denjenigen nicht wiedersehen wollen, bei dem sie ihre Apathie verloren hat!«
    »Du kennst Hypatia nicht. Sie wartet auf mich.«
    »Aber du warst schon alt, als du sie geliebt hast, jetzt wirst du ihr wie ein Greis vorkommen!«
    »Sie hat nie jüngere Männer gesehen.«
    »Aber du wirst Jahre und Jahre brauchen, um jene Orte wiederzufinden und dann noch weiter zu gehen!«
    »Wir aus der Frascheta sind berühmt für unseren Dickkopf.«
    »Aber wer sagt dir, dass du bis zum Ende deiner Reise am Leben bleibst?«
    »Reisen hält jung.«
     
    Es war nichts zu machen. Am nächsten Tag umarmte Baudolino Niketas und seine ganze Familie, auch seine Gastgeber, stieg mit einiger Mühe auf sein Pferd, das hochbeladene Maultier am Zügel und das Schwert am Sattel, und ritt los.
    Niketas sah ihn in der Ferne entschwinden, die Hand noch winkend erhoben, doch ohne sich noch einmal umzudrehen, unbeirrt unterwegs zum Reich des Priesters Johannes.

 
    40. Kapitel
    Baudolino ist nicht mehr da
     
    Niketas ging den klugen Paphnutios besuchen. Er berichtete ihm alles von Anfang bis Ende, seit dem Augenblick seiner Begegnung mit Baudolino in der Hagia Sophia, und alles, was Baudolino ihm erzählt hatte.
    »Was muss ich tun?« fragte er.
    »Für ihn? Nichts, er geht seinem Schicksal entgegen.«
    »Nicht für ihn, für mich. Ich bin Geschichtsschreiber, früher oder später werde ich mich daranmachen müssen, die Chronik der letzten Tage von Byzanz zu schreiben. Wo soll ich die Geschichte einordnen, die mir Baudolino erzählt hat?«
    »Nirgendwo. Es ist allein seine Geschichte. Und außerdem, bist du denn sicher, dass sie wahr ist?«
    »Nein, alles, was ich darüber weiß, habe ich von ihm gehört, so wie ich auch von ihm gehört habe, dass er ein Lügner ist.«
    »Nun, siehst du«, sagte Paphnutios, »einem so ungewissen Zeugnis darf ein Geschichtsschreiber keinen Glauben schenken. Tilge Baudolino aus deiner Chronik.«
    »Aber wenigstens während der letzten Tage haben wir eine gemeinsame Geschichte gehabt, im Hause der Genueser.«
    »Tilge auch die Genueser, sonst müsstest du die Reliquien erwähnen, die sie fabrizieren, und deine
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