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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino
Autoren: Umberto Eco
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unsichtbar, sie verbreiten sich im Raum, und wenn er geschlossen ist, stauen sie sich. Man könnte sie zwar bemerken, denn wenn diese Ausdünstungen in Kontakt mit der Flamme einer Öllampe kommen, färbt sich die Flamme blau. Aber meistens bemerkt man sie erst, wenn es schon zu spät ist und dieser üble Atem bereits die reine Luft ringsum verpestet hat. Der Unglückliche, der diese;mephitische Luft einatmet, verspürt eine große Schwere im Kopf, hört ein Sausen in den Ohren, glaubt zu ersticken, sein Blick trübt sich ... Lauter gute Gründe, sich für vergiftet zu halten, also ein Gegengift zu trinken, und so hat es dein Kaiser getan. Aber wenn man, nachdem man diese Übel verspürt hat, nicht sofort den verpesteten Raum verlässt oder von jemandem herausgeholt wird, passiert noch Schlimmeres. Man fühlt sich von einer bleiernen Müdigkeit erfasst, man sinkt zu Boden, und in den Augen derer, die einen hinterher finden, erscheint man tot, ohne Atem, ohne Farbe, ohne Puls- und Herzschlag, die Glieder starr und das Gesicht leichenblass ... Auch der erfahrenste Arzt wird glauben, einen Toten vor sich zu haben. Man weiß von Personen, die in solchem Zustand begraben worden sind, während es genügt hätte, sie mit kalten Kopfumschlägen und Fußbädern zu behandeln, sie am ganzen Leib mit belebenden Ölen einzureiben ...«
    »Willst du mir«, unterbrach ihn da Baudolino, bleich wie das Antlitz Friedrichs an jenem Morgen, »willst du mir etwa sagen, dass wir den Kaiser nur für tot hielten und dass er in Wahrheit noch lebte ... ?«
    »So gut wie sicher, mein armer Freund. Er starb, als er in den Fluss geworfen worden war. Das eisige Wasser hatte in gewisser Weise begonnen, ihn wieder zum Leben zu erwecken, und das hätte sogar eine gute Kur sein können, aber er hat, noch bevor er wieder zu Bewusstsein kam, wieder zu atmen begonnen, dabei hat er Wasser geschluckt und ist ertrunken. Als ihr ihn ans Ufer gezogen habt, müsstet ihr gesehen haben, ob er das Aussehen eines Ertrunkenen hatte ...«
    »Er war aufgedunsen. Ich wusste, dass es nicht sein konnte, und hielt es für eine Einbildung angesichts dieser zerschundenen und zerschlagenen Reste ...«
    »Ein Toter bläht sich nicht auf, wenn er unter Wasser liegt. Das geschieht nur bei einem Lebenden, der unter Wasser stirbt.«
    »Dann ist also Friedrich nur einem außergewöhnlichen, ihm unbekannten Unwohlsein zum Opfer gefallen und nicht getötet worden?«
    »Ihm ist das Leben genommen worden, sicher, aber von dem, der ihn ins Wasser geworfen hat.«
    »Aber das war ich!«
    »Wirklich ein furchtbares Unglück. Ich verstehe deine Erregung. Aber beruhige dich. Du hast es in gutem Glauben getan, bestimmt nicht, um seinen Tod herbeizuführen.«
    »Aber ich habe bewirkt, dass er gestorben ist!«
    »Das nenne ich nicht töten.«
    »Aber ich wohl!« schrie Baudolino auf. »Ich habe meinen geliebten Vater ertrinken lassen, während er noch lebte! Ich ...« Er wurde noch bleicher, stammelte ein paar zusammenhanglose Worte und verlor das Bewusstsein.
     
    Er kam wieder zu sich, als Niketas ihm kalte Tücher auf die Stirn legte. Paphnutios war gegangen, vielleicht fühlte er sich schuldig, weil er Baudolino, um zu zeigen, wie gut er die Dinge durchschaute, eine schreckliche Wahrheit enthüllt hatte.
    »Versuche jetzt, ruhig zu bleiben«, sagte Niketas. »Ich verstehe, dass du erschüttert bist, aber es war ein Unglück, eine Verkettung fataler Umstände. Du hast gehört, was Paphnutios gesagt ha: Jeder hätte diesen Mann für tot gehalten. Auch mir sind Fälle von Scheintod zu Ohren gekommen, die jeden Mediziner getäuscht haben.«
    »Ich habe meinen Vater getötet«, wiederholte Baudolino in einem fort, nun von heftigen Fieberschauern geschüttelt. »Ich habe ihn, ohne es zu wissen, gehasst, weil ich seine Frau begehrt hatte, meine Adoptivmutter. Ich war erst Ehebrecher und dann Vatermörder, und nachdem ich mir diese Lepra aufgeladen hatte, habe ich mit meinem inzestuösen Samen die reinste der Jungfrauen besudelt und sie glauben lassen, dies sei die Ekstase, die man ihr versprochen hatte. Ich bin ein Mörder, weil ich den Poeten getötet habe, der unschuldig war ...«
    »Er war nicht unschuldig, er war von einer rasenden Gier erfüllt, er wollte dich töten, du hast dich nur gewehrt.«
    »Ich habe ihn zu Unrecht des Mordes bezichtigt, den ich selbst begangen hatte, ich habe ihn getötet, um nichtzugeben zu müssen, dass ich mich selbst bestrafen müsste, ich habe mein ganzes
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