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Baudolino - Eco, U: Baudolino

Titel: Baudolino - Eco, U: Baudolino
Autoren: Umberto Eco
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fragte, womit er Baudolino dienlich sein könne.
    Baudolino erzählte ihm die Geschichte, anfangs summarisch, dann detaillierter, vom Markt in Kalliupolis bis zum Tode Friedrichs. Er konnte nicht vermeiden, Ardzrouni zu erwähnen, aber er ließ die Identität seines Adoptivvaters im dunkeln und sagte, er sei ein flämischer Graf gewesen, den er sehr geliebt habe. Er ließ auch den Gradal unerwähnt und sprach statt dessen von einem mit Edelsteinen besetzten Kelch, der dem Getöteten sehr viel bedeutet habe und um den ihn sicher viele beneidet hätten. Während Baudolino erzählte, unterbrach ihn Paphnutios immer wieder. »Du bist ein Franke, nicht wahr?« sagte er etwa und erklärte dann, dass seine Art, bestimmte griechische Wörter auszusprechen, typisch für die Leute aus der Provence sei. Oderer fragte: »Warum fasst du dir immer an die Narbe auf deiner Wange, während du sprichst?« Und als Baudolino schon glaubte, er täusche seine Blindheit nur vor, erklärte er ihm, dass seine Stimme manchmal ein wenig dumpfer klinge, als ob er sich die Hand vor den Mund hielte. Würde er sich jedoch, wie es viele täten, über den Bart streichen, so würde er die Hand nicht vor den Mund halten. Also müsse er sich an die Wange fassen, und wenn einer sich an die Wange fasse, tue er das entweder, weil er Zahnweh, oder weil er einen Pickel oder eine Narbe auf der Wange habe. Da Baudolino jedoch ein Schwert trage, sei ihm die Hypothese der Narbe als die vernünftigste vorgekommen.
    Schließlich erzählte Baudolino alles, und Paphnutios sagte: »Und jetzt möchtest du gerne wissen, was wirklich in jenem geschlossenen Zimmer des Kaisers Friedrich geschehen ist.«
    »Woher weißt du, dass ich von Friedrich gesprochen habe?«
    »Nun, alle wissen doch, dass der Kaiser im Kalykadnos ertrunken ist, nahe bei Ardzrounis Burg, so dass dieser seit damals verschwunden ist, denn sein Fürst Leo wollte ihn köpfen lassen, weil er ihn dafür verantwortlich machte, dass sein illustrer Gast nicht gut bewacht worden war. Es hat mich immer gewundert, dass dein Kaiser, der bekanntlich so gern und häufig in Flüssen schwamm, sich von der Strömung eines Flüsschens wie des Kalykadnos hatte fortreißen lassen, und jetzt erklärst du mir vieles. Also, versuchen wir klarzusehen.« Er sagte das ohne Ironie, als verfolgte er tatsächlich gerade eine Szene, die sich vor seinen toten Augen abspielte.
    »Räumen wir erst einmal den Verdacht aus, dass Friedrich wegen der Maschine, die Leere erzeugt, gestorben sein könnte. Ich kenne diese Maschine, erstens wirkte sie sich auf ein kleines fensterloses Zimmerchen im Oberstock aus und bestimmt nicht auf das Zimmer des Kaisers, wo es einen Rauchfang gab und wer weiß wie viele andere Schlitze und Spalten, durch die Luft hereinkonnte, so viel wie nur wollte. Und zweitens konnte die Maschine selbst überhaupt nicht funktionieren. Ich habe sie ausprobiert.Der innere Zylinder füllte den äußeren nicht vollkommen aus, auch dort konnte die Luft an tausend Stellen ein- und austreten. Erfahrenere Mechaniker als Ardzrouni haben schon vor Jahrhunderten solche Experimente zu machen versucht, ohne Erfolg. Es ist eine Sache, jene sich drehende Kugel zu konstruieren oder jene Tür, die sich durch die Kraft der Wärme öffnet, das sind Spielchen, die wir seit den Zeiten des Ktesibios und des Heron kennen. Aber die Leere, nein, lieber Freund, die absolut nicht. Ardzrouni war eitel, er liebte es, seine Gäste zu verblüffen, das war alles. Kommen wir nun zu den Spiegeln. Dass der große Archimedes mit ihnen die römischen Schiffe in Brand gesteckt haben soll, behauptet zwar die Legende, aber wir wissen nicht, ob es stimmt. Ich habe Ardzrounis Spiegel betastet: Sie waren zu klein und zu roh geschliffen. Aber auch wenn sie perfekt gewesen wären – ein Spiegel reflektiert Sonnenstrahlen mit einer gewissen Kraft nur am Mittag, wenn die Sonne hoch steht, nicht am frühen Morgen, wenn die Strahlen noch schwach sind. Nimm hinzu, dass die Strahlen durch ein Fenster mit bunten Scheiben hätten einfallen müssen, und du siehst, dass dein Freund, selbst wenn es ihm gelungen wäre, einen der Spiegel exakt auf das Fenster des Kaisers auszurichten, nichts damit erreicht hätte. Habe ich dich überzeugt?«
    »Kommen wir zum Rest.«
    »Die Gifte und Gegengifte ... Ihr Lateiner seid wirklich naiv. Meint ihr, dass auf dem Markt in Kalliupolis Substanzen verkauft werden, die eine so große Wirkkraft haben, dass sogar ein Basileus sie nur von
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