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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit
Autoren: Heinrich Steinfest
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festklebte.
    Nun, das war nicht ganz unoriginell, daß ein Mann, der starb, mit einer Briefmarke frankiert auf seine Reise in den Tod geschickt wurde. Möglicherweise war dies sogar unerläßlich für den Eintritt in die Unterwelt. Vielleicht schwirrten hier im Diesseits nur darum so viele Engel und Geister und Halbtote herum, weil man unterlassen hatte, sie mit einer ordentlichen postalischen Kennzeichnung auszustatten.
    War dies der Fall, so erwies sich der Mann, der Ernest mit fünf Schüssen niedergestreckt hatte, wenigstens als so korrekt, die Beförderung des demnächst Toten mittels Briefmarke zu bezahlen. Für welchen Betrag auch immer dieses Postwertzeichen stellvertretend stand.
    Stellte sich freilich die Frage, wer diese Marke stempeln würde. Und vor allem: wie?
    Nun, Ernest wußte ganz gut, daß das gummierte Papier bereits im gestempelten Zustand auf seine sterbende Zunge aufgelegt worden war. Gestempelt vor langer Zeit auf einem englischen Kriegsschiff, das über den Südatlantik gefahren war. Es fiel ihm jetzt alles wieder ein. Schließlich war er selbst es gewesen, der diese Briefmarke beschafft und genau diesem Mann ausgehändigt hatte, der hier im Raum stand und mitleidlos auf sein Opfer hinuntersah. Ganz in der Art eines letzten kontrollierenden Blikkes. Die Arbeit war getan.
    Auch Hemingways Arbeit schien getan zu sein. Er würde nicht mehr lange zu atmen brauchen. Doch während er nun aus dem Zustand lautloser Klage in ein Gefühl der Gelassenheit hinüberschwang, ja sogar ein wenig heiter und zuversichtlich war ob der Briefmarke auf seiner Zunge, bemerkte er von der Seite her einen Schatten. Mit der Plötzlichkeit eines Bebens ergab sich eine heftige Bewegung im Raum, ein Aufleuchten, ein Bersten, eine Verschiebung der Verhältnisse, alles sehr rasch. Dann, ebenso plötzlich, Ruhe. Eine Frau kniete sich zu ihm herunter, wenn es denn kein Mann war, der eine blonde Perücke trug. Dahinter gewahrte sein verschwommener Blick eine weitere, gleich einer schwärzlichen Säule dastehende Gestalt. Und in diesem Schwarz ein bläulicher Schimmer. So desolat Hemingway auch war, er wußte sofort, wem dieser Schimmer gehörte: Markus Cheng.
    Das Thermometer an der Wand zeigte noch immer auf die Vierundzwanzig, die Uhr auf der Kommode, die wohl stehengeblieben war, noch immer auf die Drei, der Kalender noch immer auf die Zwölf und der Wärmeregler noch immer auf Aus.

Erster Saal
    Du hast Geschmack und schläfst mit ’nem totalen Loser.
    Ich auf der anderen Seite hab’ keine Ahnung
    von Schönheit und darf die schönste Frau auf dem
    Planeten vögeln. Wie nennst du das, wenn so was passiert?
    (Harvey Keitel in Manuel Pradals Film A Crime )
    Das ist das einzige,
    von dem ich weiß,
    daß es immer zurückkommen wird.
    (derselbe im selben Film während der Benutzung eines Bumerangs)
    …, denn es ist wahr,
    und die Wahrheit redet sich selber.
    (Meister Eckhart)

Erstes Bild:
Ein Jude, der keiner ist
    Die Stadt befand sich in der Tiefe des Frühlings. Es herrschte ein Zustand wie in einem dieser stark überwässerten, weil von fremder, ungelenker Hand betreuten Blumentöpfe. Menschen, die ihre Blumentöpfe alleine lassen beziehungsweise sie anderen Menschen ausliefern, kommen ganz sicher nicht in den Himmel. Überhaupt muß gesagt werden, daß jemand, der seine Pflanzen im Stich läßt, irgendwann auch seine Kinder im Stich lassen wird. So ist das leider.
    An einem solchen an Überwässerung sterbenden Frühlingstag saßen Cheng und Lena in dem kleinen italienischen Restaurant und sägten an ihren Pizzen (genauer gesagt sägte Lena für sie beide). Es wurden hier mitnichten die besten Pizzen der Stadt serviert. Zudem war die Einrichtung auf eine völlig uninspirierte Weise schäbig und verstaubt zu nennen. Immerhin jedoch war es so, daß der Patron und sein Koch – selten ergab sich eindeutig, wer hier wer war – schrecklich viel Ahnung vom Fußball hatten. Ihre Gespräche darüber waren nicht nur leidenschaftlich, sondern zudem versiert und analytisch und gescheit. Freilich wurden davon die Pizzen nicht besser. Wie ja überhaupt auffällt, daß am Ende dieses ersten Jahrzehnts im neuen Jahrtausend eine beeindruckende Zahl unterschiedlichster Menschen extrem viel über den Fußballsport wußte. Lauter potentielle Experten von Weltniveau. Doch bedauerlicherweise verdingten sich alle diese mit hoher Professionalität ausgestatteten Laien in ganz normalen Berufen, wo sie nicht annähernd das leisteten, was sie
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