Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit
Autoren: Heinrich Steinfest
Vom Netzwerk:
einen Hund.
    »Schatz, hör zu«, meinte Cheng, die Ernsthaftigkeit dadurch unterstreichend, daß er nun von seiner Lektüre aufsah, »wir haben für einen Hund wirklich keinen Platz in unserer Wohnung.«
    »Du hattest auch mal einen Hund«, erinnerte Lena. »Genau in dieser Wohnung.«
    »Das war keine Absicht damals.«
    »Trotzdem.«
    »Genügt dir denn dein Pferd nicht?« fragte Cheng.
    »Blödsinn«, antwortete Lena. »Ein Pferd ist kein Haustier. Außerdem hab ich nur ein Drittel davon. Ich will endlich ein richtiges Haustier.«
    »Mit fünfzehn ist es eigentlich zu spät dafür«, fand Cheng.
    Lena schmollte.
    »Es ist doch immer das gleiche«, meinte Cheng. »Zuerst wird ein Tier gekauft. Und dann will es keiner haben. Zumindest will keiner die Arbeit. Würde ich jetzt nachgeben, dann wäre es bald so, daß nicht du einen Hund hast, sondern ich . Ich will aber keinen mehr. Bräuchte ich ein Haustier, würde ich Batman zurückholen.«
    »Batman?«
    »Meine Katze von früher. Ein Kater, schwarz, versteht sich. Mit spitzen Ohren, klar. Er ist jetzt schon lange bei meiner ersten Frau. Ein Wunder, daß er noch lebt. Er muß uralt sein. Ein robustes Viech.«
    Lena behauptete, Katzen nicht zu mögen. Dabei hatte sie selbst durchaus etwas von einer Katze. Souverän und kaltblütig und geschmeidig und eigensinnig. Nun gut, wenn Lena eine Katze war, dann war es verständlich, daß sie auf eine weitere Katze im Haushalt verzichten konnte. Sie sagte: »Ich möchte einen Labrador.« Sie sagte es in der Art, wie sie zwei Jahre später sagen würde: »Ich will den Typen mit den langen Haaren und dem Tattoo am Hals.«
    Nun, diesen Typen würde sie auch bekommen. Nicht aber einen Labrador. Darüber waren sich Cheng und Ginette einig. Kein Hund. Und auch sonst kein Tier. Ein drittel Pferd mußte reichen. War auch nicht gerade billig. Aber Lena tat in den folgenden Tagen das, was man nerven nennt. Sie behauptete, daß ihre Entwicklung schaden nehmen könnte. Daß ein Haustier eine Quelle der Zuneigung sei, wie kein Mensch sie verkörpern könne. Und dann fügte sie an, als sei dies eine wissenschaftlich belegte Erkenntnis, daß Eltern, die ihren Kindern Haustiere verweigerten, dies aus purer Angst um ihre Möbel tun würden.
    Doch Ginette konterte: »Hunde in einer Stadtwohnung zu halten, ist ein Verbrechen.«
    »Kinder in einer Stadtwohnung zu halten, ist auch ein Verbrechen«, erwiderte Lena in dieser für ihr Alter typischen Art, einen Blödsinn zu sagen, der irgendwie stimmt. Sodann lief sie in ihr Zimmer und knallte die Türe zu.

Zweites Bild:
Ein Krebs wird getauft
    Als nun Cheng am nächsten Tag während eines Spaziergangs in einen heftigen Regen geriet und in eins der großen Kaufhäuser flüchtete, gelangte er im Zuge seines ziellosen Flanierens durch die Abteilungen auch in den Bereich der Spielwaren, betrachtete mit einem leicht neidvollen Gefühl die erstaunlichen Wucherungen der zeitgenössischen Legowelt und erreichte schließlich die Regale mit den Gesellschaftsspielen, zu denen neuerdings auch eine Menge Experimentiersets gehörten, nicht so sehr die im Verdacht der Explosionslastigkeit stehenden Chemiebaukästen früherer Tage, sondern eher Versuchsanordnungen im Stil derer, wie die Schweizer sie in ihrem CERN -Institut unternehmen. Teilchen jagen und dergleichen.
    Dank dieser lehrreichen Anordnungen konnte man Saurierknochen ausgraben, Vulkane zum Ausbruch bringen oder Kristalle erzeugen. Anders gesagt: Mit ihnen konnte man die Natur imitieren oder Gott spielen. Ganz ohne Computer und Animation, sondern wirklich und richtig.
    Mit einiger Faszination betrachtete Cheng die verschiedenen Schachteln, in die zum Teil nicht mal Kinderschuhe gepaßt hätten und in denen sich dennoch eine Welt, wenn nicht ein ganzer Kosmos, verbarg. Unter all diesen Produkten stieß ihm nun eins besonders ins Auge, ein sogenanntes Mitbring-Experiment, bei dem es sich um ein Aufzucht-Set für Salzkrebse handelte, die hier dramatischerweise als Urzeit-Krebse bezeichnet wurden. Wobei das Cover eben nicht nur die in Orange und Gelb schillernden, wie alles Plankton aus der Nähe monströs häßlichen Tierchen zeigte, sondern auch eine urzeitliche Meeresechse, die da mit spitzzahnigem Maul dahergeschwommen kam.
    »Neun Euro und Sie sind dabei«, sagte der Verkäufer, der von der Seite herangetreten war und mit seinem im Lachen begriffenen, offenen Mund und den etwas dunklen und etwas schief stehenden Zähnen wie das traurige Ende einer
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher