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Batmans Schoenheit

Batmans Schoenheit

Titel: Batmans Schoenheit
Autoren: Heinrich Steinfest
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Cheng, der ja als »liebe Eltern« angesprochen worden war, verantwortlich für die aus der Geborgenheit ihrer Eierschalen gelockten Kreaturen. Wie es nämlich heißt, ist das Schicksal des Einzelnen immer auch das Schicksal der Welt. Und es konnte ja wohl nicht sein, daß Lebewesen, deren Stamm seit vielen Millionen Jahren existierte, im Zuge der Verwahrlosung eines in der Wiener Lerchenfelder Straße aufgestellten Neun-Euro-Mini-Aquariums zugrunde gehen sollten.
    Es kam also so, wie Cheng es erwartet hatte und wie es dem üblichen Lauf der Dinge entsprach. Wobei festzustellen wäre, daß Cheng wenigstens nicht gezwungen war, zu unchristlichen Zeiten einen dank Zuchtverfahren verblödeten Labrador zur Verrichtung seiner Geschäfte nach draußen zu führen. Und ihm somit auch erspart blieb, mit jenen anderen Hundebesitzern zusammenzutreffen, die er ja noch aus der Zeit kannte, als der gute, alte Lauscher gelebt hatte. Hundebesitzer waren eine Plage. Der Kot auf den Straßen war sehr viel weniger ein Verweisschild auf die Därme der Vierbeiner als auf die Köpfe ihrer Besitzer. Nein, da war es schon sehr viel besser, ein- bis zweimal täglich etwas Luft ins Wasser zu blasen und sich ansonsten in der meditativen Betrachtung der kleinen Schwimmer zu verlieren.
    »Du und deine Krebse«, meinte Lena bei Tisch, vielleicht im Angesicht der servierten Shrimps, und lächelte abfällig.
    »Eigentlich sind es deine Krebse«, antwortete Cheng.
    »Das sind kleine Monster«, erwiderte Lena. »Da wäre mir sogar eine Schlange lieber.«
    »Schlangen töten Menschen«, stellte Cheng fest. »Manchmal.«
    »Bei diesen Krebsen wäre ich mir da auch nicht sicher«, sagte Lena. »Tu bloß nicht deinen Finger rein.« Dann sprach sie über ihr Pferd. Etwas mit den Hufen. Cheng hörte bald nicht mehr hin. Das Besitzen von Pferden kam bei ihm gleich nach dem Besitzen von Hunden.
    Cheng verließ die Küche und ging ins Wohnzimmer, um sich die Nachrichten anzusehen. Dies entsprach mehr einem Ritual denn Interesse. Die Abendnachrichten stellten gewissermaßen eine sehr lose Verbindung des Individuums mit den äußeren Geschehnissen dar, wobei die Politik im eigenen Lande nicht minder exotisch anmutete wie Waldbrände in Australien. Merkwürdig nahe waren nur Flugzeugabstürze und Amokläufe, denn bei aller Seltenheit, mit der sie geschahen, schien die Chance, in selbige zu geraten, um einiges wahrscheinlicher als in ein politisches Amt zu schlittern. Ein Mann wie Cheng würde niemals in die Verlegenheit kommen, als Funktionär einer Partei aufzutreten, als Passagier eines Flugzeugs hingegen, das …
    Cheng schenkte sich ein Glas Wein ein, lagerte seine Beine hoch und verfolgte mit nur einem Auge und nur einem Ohr den Bericht über eine dramatische Insolvenz. Hellhörig – also beide Augen und beide Ohren einsetzend – wurde er erst in dem Moment, da von einem Verbrechen die Rede war, welches in den Vormittagsstunden dieses Tages entdeckt worden war. Die Polizei hatte einen Mann tot in seiner Wohnung aufgefunden, offensichtlich das Opfer einer Art von Exekution, wobei der Nachrichtensprecher von »mehreren Projektilen« sprach, weitere diesbezügliche Details aber verschwieg. Nicht jedoch verschwieg er – und nur darum war diese Meldung es wert, in den Abendnachrichten genannt zu werden −, daß es sich bei dem Toten um einen bekannten Schauspieler handelte, der zuletzt in einem großen Wiener Theater als Professor Bernhardi brilliert hatte.
    So bekannt dieser Bühnenstar auch sein mochte, Cheng war der Name in keiner Weise vertraut. Was freilich nicht viel bedeutete. So sehr Cheng eine zutiefst wienerische Seele besaß, war er am Theater und der Schauspielkunst desinteressiert. Er hielt diese Kunst für ziemlich unnötig. Da war ihm die Oper noch lieber, die ihm zwar nicht minder lächerlich erschien, aber welche das Lächerliche zum Thema hatte, das Lächerliche im Zuge pompöser Übertreibung kultivierte. Oper war immer Kasperltheater, komische Leute in komischen Kleidern in komischen Posen, die nur darum zu singen schienen, um einen obskuren Text in erträgliche Unverständlichkeit zu transferieren. So besaß die Oper aber wenigstens einen die eigene Klamottenhaftigkeit reflektierenden Zug, und auch die Opernsänger bewiesen in ihren Interviews gerne, wie wenig sie sich ernst nahmen und wie sehr alles in ihrem Leben, ob auf der Bühne oder nicht, eine Farce darstellte. Opernsänger mochten dumme Figuren in Szene setzen, sie selbst waren
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