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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa
Autoren: Die hellen Tage
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Sommer rot von Klatschmohn. Évi sagte
nie, was Aja an diesem Tag anziehen sollte, es störte sie nicht, wenn wir über
Stühle und Tische sprangen, in die Bäume kletterten und uns mit Früchten
bewarfen, und sie schimpfte nie, wenn etwas zerbrach oder am nächsten Tag
fehlte. Es war ihr gleich, wann die Kinder abgeholt wurden, ob spät am Abend,
wenn sie müde und schmutzig im kniehohen Gras lagen und ihre nassen Kleider an
der Leine hingen, ob sie überhaupt abgeholt wurden. Wenn dann Eltern die
Pforte langsam öffneten und sich im Garten umschauten, als dürften sie es
nicht, brachte Évi Perlwein mit Erdbeeren, die sie am Abend zuvor mit Zucker
bestreut hatte, und füllte ihn unter einem Sonnenschirm mit einer Kelle in
Gläser, die sie über Jahre gesammelt hatte und unter denen es nicht zwei
gleiche gab.
    Sobald die Sonne ein letztes Licht
auf die drei Linden vor dem Zaun warf, hob Évi die kleineren Kinder in einen
Karren aus Holz, den sie von einem Bauern geliehen hatte und mit einem Seil an
Weizen und Mais vorbei durch den Staub zog. Die größeren liefen neben Aja
vorneweg, die noch immer ihre Krone aus rotem Papier trug und ihrer Mutter den
Weg zu den Häusern zeigte. Wenn wir vor einem Tor hielten und ein Kind aus dem
Wagen sprang, ging Évi mit ihm, als wolle sie sehen, was sich hinter diesen
Türen verbarg, als wundere es sie, dass andere Häuser verschlossen waren und
man einen Schlüssel brauchte, um die Türen zu öffnen, und wenn sie zurückkam
und das Seil wieder in die Hände nahm, lief sie die ersten Schritte still, als
habe ihr etwas die Sprache genommen. Ich blieb über Nacht bei Aja, Évi hängte
Lichter in den Baum und ließ uns unter Ästen im großen Tuch schaukeln und wenig
später einschlafen, während sie im Schein einer Kerze ihre Fußnägel lackierte,
als gebe es keine bessere Zeit dafür. Sie ließ alles stehen, bis sie am Morgen
aufstand, Butterbrote für uns strich und hinausging, sich an den Birnbaum
lehnte und ihren Blick ein letztes Mal wandern ließ. Dann fing sie an, die
Gläser und Teller einzusammeln, die Tischtücher mit den rosaroten Flecken, die
Bälle und farbigen Bänder, die ins Gras gefallen, die Kleider und Strümpfe,
die nass geworden und liegen geblieben waren. Den Klang dieses Nachmittags
wolle sie noch einmal hören, sagte sie uns durchs Fenster, als hätten wir
damals verstehen können, was sie meinte, mit diesem Gefühl der Unruhe, das sie
überfiel, weil Aja größer wurde, und das sie besser aushalten konnte, wenn sie
die Stimmen, die Lieder und Rufe dieses Nachmittags nachklingen ließ, um sich
später, wann immer ihr danach sein würde, daran erinnern zu können.
    Als Évi schon etwas Geld hatte,
fuhr sie mit Aja in den großen Ferien in die Berge, und Aja feierte Geburtstag
mit irgendjemandem, den ihre Mutter auf einer Sonnenterrasse, auf einem Gipfel
angesprochen und dazugebeten hatte. Aja hatte von jedem dieser heißesten Tage
des Jahres ein Foto, auf die Rückseite hatte Évi geschrieben Ajas zehnter, Ajas
elfter Geburtstag, in ihrer großen Schrift mit den schiefen Buchstaben, von
denen jeder in eine andere Richtung strebte, das Jahr, den Ort und die Namen
der Fremden, von denen sie nichts wussten und die sie nie mehr treffen würden.
Wenn Aja in die Berge gefahren war, tat es weh, an sie zu denken, schon weil
ich glaubte, sie habe schnell andere gefunden, mit denen sie abends ein Rad
schlagen und über Wiesen laufen konnte. Erst später, als wir schon erwachsen
waren, sagte Aja, auch sie habe ihre Geburtstage im Garten vermisst, mit mir,
den bunten Bändern und Wannen aus Blech, jedes Mal, wenn sie in den Bergen
gewesen sei und Évi mit Fremden auf sie angestoßen habe. Lieber hätte sie neben
mir unterm Birnbaum gelegen und ihrer Mutter, kurz bevor wir einschliefen,
zugesehen, wie sie ihre Nägel lackierte.
    Ich gehörte früh zu Aja und Évi,
zu ihrem Haus und Garten. Ich gehörte auf den Rasen hinter den drei Linden,
mit seinen Maulwurfshügeln und Butterblumen, über den wir ohne Schuhe und
Strümpfe sprangen, in den schmalen Flur, durch den wir einander jagen durften,
auch wenn wir an Mänteln und Taschen hängenblieben und über Kisten und Kartons
stolperten, in die winzige Küche, wo die Zweige des Flieders anklopften, wenn Évi
vergessen hatte, sie zurückzuschneiden, und durch deren Fenster der Regen
drang, wenn Évi nicht schnell genug Tücher davorgelegt hatte. Eine Weile musste
meine Mutter geglaubt haben, das mit Aja könne sich geben, wie
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