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Bank, Zsuzsa

Bank, Zsuzsa

Titel: Bank, Zsuzsa
Autoren: Die hellen Tage
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rupfte,
weiße und braune Federn ins kniehohe Gras segeln ließ.
    Aja lebte mit ihrer Mutter in
einem Haus, das kein Haus war, nur ein Häuschen, gehalten von Brettern und Drähten,
eine Hütte, an die neue Teile geschraubt wurden, wenn der Platz nicht mehr
reichte, wenn es zu eng geworden war, selbst für die wenigen Möbel, die Ajas
Mutter gehörten, für die Schachteln und Kisten, die sie stapelte, und die Schuhkartons,
die sie sammelte, für die vielen Briefe, die sie darin aufbewahrte. Wie
Spinnennetze zogen sich Kabel und Klebeband durch zwei kleine Zimmer, eine
winzige Küche und einen schmalen Flur, für die Lampen, die auch tags brannten,
selbst wenn die Sonne schien und Licht in alle Ecken des Hauses drang. Damals
wusste ich nichts von Häusern, nichts davon, wie sie zu sein, wie sie
auszusehen und wo sie zu stehen hatten, dass sie eine Straße und Nummer brauchten
und es nicht reichte zu sagen, hinter Kirchblüt steht es, dort, wo die Felder
beginnen und die Kieswege sich kreuzen, nicht weit vom Bahnwärterhäuschen, und
es sieht aus, als würde es schweben. Ich wusste nicht, dass es jemand erlauben
musste, zu hämmern und Hühner halten zu dürfen, dass irgendwer verfügte und
entschied über das, was Ajas Zuhause war, und ich ahnte nichts von den
Vormittagen, die Ajas Mutter in den Gängen vor den Amtsstuben verbrachte. Für
mich war Ajas Haus ein Haus mit allem, was es dazu brauchte, auch wenn es kein
Türschloss hatte und Aja deshalb nie einen Schlüssel bei sich trug. Ajas Mutter
ließ das schiefhängende Gartentor offen, auch die Tür zum Haus, und wenn jemand
wissen wollte, ob sie keine Angst habe, vor Einbrechern, vor Dieben, musste sie
lachen, auf ihre Art, ein bisschen zu spät, ein bisschen zu leise, als sei sie
erst jetzt auf etwas gestoßen worden, das ihr nie in den Sinn gekommen wäre.
Was, sagte sie, soll man bei uns schon holen?
    Manchmal überfiel Ajas Mutter der
Schlaf, bevor sie einen Satz zu Ende gesagt, einen Gedanken ausgesprochen
hätte, und nachts, wenn Aja wach wurde und für ein Glas Wasser in die Küche
ging, saß sie neben dem Lichtkegel einer Lampe, als warte sie auf den Morgen,
jedenfalls erzählte es Aja so. Ihre Mutter hatte Schrammen an den Händen, grüne
Flecken an Knien und Schienbeinen und sah komisch aus mit ihren schmutzigen
Pflastern und Verbänden, die sie aus Stoffresten zusammenknotete. Beim
Zwiebelschälen schnitt sie sich mit einem Messer, das sie hoch an einen Haken
gehängt hatte, damit Aja es nicht nehmen konnte, sie stieß sich den Kopf an den
Schränken, verfing sich in Kabeln und riss etwas mit, das dann zerbrach und das
sie zu anderen Scherben und Splittern in einen Eimer legte, die sie nicht mehr
zusammenfügen konnte. Sie ging durch ihr Haus, ihren Garten und durch alle
Straßen der kleinen Stadt, als gebe es keine Hindernisse, als könne nichts in
ihrem Weg stehen, als müssten ihr die Dinge weichen und nicht umgekehrt. Als
könne sie auch keinen Gedanken daran verschwenden, als seien ihre Gedanken zu
kostbar, als habe sie zu wenige und müsse mit ihnen sparsam sein.
    Bevor ich mich am Abend aufmachte,
bevor wir uns trennten, um uns wiederzusehen, spätestens am nächsten Tag, am
nächsten Morgen, schlugen wir zum Abschied ein Rad. So wie andere sich die
Hände reichten und umarmten, schlugen wir am schiefhängenden Tor ein Rad, dort,
wo der Rasen flachgetreten war und der Löwenzahn zwischen die Latten drängte,
Aja und ich mit der gleichen schnellen Bewegung in die eine, und Ajas Mutter
zwischen uns in die andere Richtung. An manchen Abenden blieb sie weiter weg,
als könne sie uns stören, als wolle sie uns noch Zeit lassen, als hätten wir
nicht genug gehabt davon, als brauchten wir diese eine Minute, diese wenigen
Augenblicke noch, bevor ich gehen würde. Wenn ich den schmalen Weg hinablief
und mich umdrehte, sobald ich das Bahnwärterhäuschen sehen konnte, hatte sich
Aja am Zaun hochgezogen, die Knie zwischen die Latten geschoben und winkte mit
beiden Händen, als wolle sie sagen, vergiss nicht, morgen wiederzukommen.
    Obwohl ihr Haus keine Anschrift
hatte, bekam Ajas Mutter Briefe, die in einem dicken Umschlag aus Packpapier
steckten, auf dem unter ihrem Namen nur Kirchblüt stand, in kleinen schiefen
Buchstaben, und der Postbote brachte sie an die Tür, schon weil es immer Briefe
gab, für die sie ihre Unterschrift leisten musste. Auch als schon ein Kasten
aus Blech am Zaun hing, mit einem Schlitz, in den er die Post hätte werfen
können,
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