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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Autoren: Pierre Emme
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mit Cierba de Burta, Sarmale und Pasca, ungarischem Schnaps und österreichischem Bier verwöhnt worden.
    Mellnig war unabhängig voneinander von zwei Mitarbeitern, drei Spielern und zwei Funktionären im Speisewagen gesehen worden. Und das in Gesellschaft einer einhellig als hinreißend beschriebenen Frau, die lediglich von der einzigen weiblichen Zeugin etwas abwertend als ›ein wenig hurig aussehend‹ bezeichnet wurde, wie der recht ordentlich Deutsch sprechende Ersatztorhüter übersetzte.
    Aber das Beste kam erst am Schluss zutage. Marian Adelescu, Funktionär des Rumänischen Fußballverbandes, gab schließlich sogar ohne Umschweife zu, dass er den Toten – ›Herr Mellnig, is …, äh, war Referee‹ – sofort erkannt hatte. Er hatte den Mann bei einem UEFA-Cup-Spiel zwischen Steaua Bucuresti und Legia Warschau, das Mellnig vor etwas mehr als einem Jahr gepfiffen hatte, gesehen und sich an ihn erinnert. »Ich aber nicht mit ihm sprechen«, erklärte Adelescu in akzeptablem Deutsch, »wegen der wilde Frau vielleicht nix gut .« Er zuckte vielsagend mit den Achseln: »Na hoffentlich er hat noch gehabt ein gutes Fick, bevor tot .« Er lächelte gutmütig, blickte auf seinen dicken Bauch und sah seine eigene Sterblichkeit möglicherweise plötzlich in einem ganz anderen Licht.
    Der Tote im Schlafwagen also ein Schiedsrichter, in Begleitung einer wilden Frau, das war mehr, als Oberleutnant Beat Vonderhöh auf die Schnelle zu erfahren gehofft hatte, viel mehr. Ein Anfang, der ihn optimistisch stimmte.

     
    * * *

     
    Harry Bachler war 20 Jahre jung, der Sohn von Wilma Bachler und Mario Palinski, und auf dem Weg zur Ballprobe. Ballproben waren Anfang Juni grundsätzlich eine Rarität, auch in der ballverrückten österreichischen Hauptstadt. Aber – ›Expect emotions‹ * – es wäre nicht Wien, würde die Stadt der Geiger und der Tänzer die Gelegenheit einer Europameisterschaft nicht wahrnehmen, um dem Kontinent und dem Rest der Welt zu zeigen, dass es Dinge gab, die die Österreicher besser beherrschten als das Spiel mit der runden Kugel. Und davon gab es eine ganze Menge.
    Daher fanden heuer neben dem traditionellen Presseball, der jedes Jahr im Juni im Wiener Rathaus veranstaltet wurde, einige weitere festliche Veranstaltungen statt. Allen voran der ›Europäische Sportball‹ am 12. in der Hofburg und der ›Ball der Österreichischen Bundesliga‹ am 16. im Palais Auersperg.
    Wie auch immer, in Wien stand wieder einmal eine Ballsaison vor der Türe, diesmal allerdings im Juni und im doppelten Sinne des Wortes. Eine der besonderen Art also.
    Für Harry Bachler war tanzen oder besser das, was er bis vor Kurzem darunter verstanden hatte, lediglich Mittel zum Zweck gewesen. Ein Weg, um sich bei entsprechenden Gelegenheiten an ein Mädchen heranzumachen und dieses in einer auf einer Abfolge von verrückten Zuckungen oder engem Körperkontakt basierenden nonverbalen Kommunikation davon zu überzeugen, dass er, Harry, der Richtige für sie war. Zumindest für die nächsten Stunden. Ausgerechnet bei Irmi Weinbrugger, der einzigen Tochter des Generalsekretärs des Österreichischen Sportförderungsfonds, war Palinskis Bub mit dieser Masche besonders erfolgreich gewesen. Rasch war die knapp 19-jährige Irmgard von Harrys Einzigartigkeit überzeugt und fasziniert gewesen, und daran hatte sich seit mehr als einem halben Jahr nichts geändert.
    Im Gegenteil, der jungen Frau gelangen Dinge, die sie in Wilmas und Palinskis Augen als begeisternde Mischung aus wundersamer Fee und faszinierender Hexe erscheinen ließen. Aus dem postpubertären Monster Harry war plötzlich ein angenehmer junger Mann geworden. Als er seinen Eltern vor etwas mehr als drei Monaten anvertraut hatte, mit Irmi im Jungdamen- und Herrenkomitee für den ›Sportball‹ mitmachen zu wollen und daher in zwei Monaten des Linkswalzers mächtig sein zu müssen, war Palinski so viel reaktionäre Anpassung fast suspekt und zu viel des Guten gewesen.
    Aber bitte, auf einen Crashkurs Linkswalzer in Wiens traditionsreichster Tanzschule sollte es Palinski nicht ankommen. Harry und Linkswalzer, allein die Vorstellung war schon lächerlich. Das würde sein Sohn nie schaffen. Never. Doch da musste der junge Mensch selbst draufkommen.
    Und dann geschah das Unfassbare: Schon bald nach Beginn des Kurses überraschte Irmi mit der unglaublichen Nachricht, dass ›Harry links walzte wie ein junger Gott‹. Zunächst war Palinski erschüttert über den Befund,
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