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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Autoren: Pierre Emme
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bringen. Und dazu waren außergerichtliche Regelungen ebenso gut, oft sogar besser geeignet als der vor allem optisch sehr gewichtig wirkende Weg zu Gericht.
    »Wissen Sie was ?« , meinte er jetzt zu seinem Anwalt. »Wir geben den Säcken noch eine letzte Chance. Rufen Sie Wiener oder diesen unmöglichen Dr. Rambader an und setzen Sie ihm eine kurze Frist. Entweder er macht uns bis, sagen wir, morgen 17.00 Uhr ein geeignetes Angebot, die Angelegenheit zu bereinigen, oder wir holen uns am Donnerstagmorgen die einstweilige Verfügung beim Gericht. Und dann finito, adios, großes Schnitzelgeschäft während der Europameisterschaft .«

     
    * * *

     
    Während sich der deutsche Teamchef in Frankfurt die Zeit bis zum Abflug im Gespräch mit einigen Journalisten vertrieb, hatte sein österreichischer Kollege seine Schützlinge gerade für zwei Nächte nach Hause entlassen. Die Burschen waren die letzten zehn Tage in der Sportschule Lindabrunn kaserniert gewesen. Da sie ihre Familien oder Freundinnen andernfalls erst nach Abschluss der Gruppenphase, also nach mehr als weiteren zwei Wochen wiedersehen würden, war dieser Heimaturlaub nach Ansicht des Bundestrainers unbedingt notwendig, um einem Lagerkoller vorzubeugen.
    So, jetzt musste er nur noch die tägliche routinemäßige Pressekonferenz über sich ergehen lassen, auf die die Damen und Herren der schreibenden Zunft so knapp vor Beginn eines Events dieser Art einfach nicht verzichten konnten. Hannes Nickelsbacher, der zwischen Achmed Attamachi, dem offensiven Mittelfeldspieler Rapids, und Freddie Weinbauer, dem Ersatztorhüter der Austria, saß und die immer gleichen Fragen der Journalisten beantwortete, hatte ein gewisses Verständnis dafür. Immerhin hatten sie die Seiten in den Blättern ja mit irgendwelchen Neuigkeiten zu füllen. Auch wenn es eigentlich nichts zu berichten gab, außer den sich lediglich in Nuancen ändernden Befindlichkeiten der Spieler, die er häufig bewusst ein wenig in die eine oder andere Richtung aufbauschte, um überhaupt etwas zum Erzählen zu haben.
    Ja, ja, Fußball war ein Spiel, das lange vor dem Anpfiff begann und nach 90 Minuten keineswegs zu Ende war. Wie mancher Naivling vielleicht annahm. Nickelsbacher war schon sehr lange dabei, sowohl als Spieler als auch als Trainer. Er kannte die Gesetzmäßigkeiten des Sports, und er beherrschte seine Regeln. Dass das österreichische Team in den letzten Jahrzehnten im internationalen Vergleich immer schwächer geworden war und außer gelegentlicher Überraschungen, guter zweiter Halbzeiten und zahlreicher Hättma-Spielen * nicht viel zu bieten gehabt hatte, gehörte auch zu diesen Gesetzmäßigkeiten.
    Und dennoch, 30 Jahre nach der legendären Schlacht von Córdoba, diesem Triumph der Hoffnung über die Wahrscheinlichkeit, dieser Allzeitgröße im Leben eines österreichischen Fußballnarren seit dem letzten Viertel des 20. Jahrhunderts, war es an der Zeit, dem großen Bruder im Nordwesten endlich wieder einmal auch im Fußball auf die Zehen zu steigen.
    »Ich habe ein gutes Gefühl …«, entfuhr es Nickelsbacher völlig ungefragt, ja unbewusst und Achmeds Einschätzung der Klasse seiner zu erwartenden Gegenspieler damit unterbrechend.
    Verwundert und interessiert richteten sich alle Blicke auf den Trainer, dem sein geistiges ›Trenzen‹ damit erst so richtig bewusst wurde.
    »Wie meinen Sie das ?« , rasch hatte sich Franz Zeschke von der ›Alles vom Tag‹ auf die unerwartete Steilvorlage gestürzt. »Generell oder auf ein bestimmtes Spiel bezogen?«
    Der Teamchef war erfahren genug, seine geistige Blähung jetzt wie das Ergebnis eines ausgewogenen Nachdenkprozesses aussehen zu lassen. Dramaturgisch eindrucksvoll ließ er einige Sekunden vergehen, ehe er mit seinem Sprüchlein begann:
    »Bei der WM 1954 haben wir nach einem legendären 7:5 gegen die Schweiz Uruguay im Spiel um den 3. Platz besiegt«, er holte bewusst weit aus, um etwas Zeit zu gewinnen. »1978 haben wir es den Deutschen in Córdoba gezeigt. Und ich denke, 54 Jahre nach Bern und 30 Jahre nach Córdoba ist es endlich wieder an der Zeit, der Fußballwelt zu zeigen, dass man auch hierzulande mit dem Ball umgehen kann .«
    Das war mehr eine patriotische Absichtserklärung denn eine realistische Einschätzung der Lage, fanden nicht nur die Journalisten, sondern auch die beiden Kicker am Podium. Aber egal, das war der Stoff, aus welchem Träume gemacht wurden. Der zunächst nur zögernd einsetzende Applaus steigerte sich
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