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Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Ballsaison: Palinskis siebter Fall

Titel: Ballsaison: Palinskis siebter Fall
Autoren: Pierre Emme
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und der Konsequenz zu allem entschlossener Wahnsinniger reale Abgründe öffnen, gegen die sich die Apokalypse ausnahm wie ein verschlagener Lercherlschaß * .
    Aber das war wohl so. Auch 9/11 war noch zu einem Zeitpunkt für unmöglich gehalten worden, als das schreckliche Geschehen live über die Fernsehschirme der ganzen Welt zu verfolgen war. Niemand hatte sich bis dahin vorstellen können, dass ein vollbesetztes Verkehrsflugzeug vorsätzlich in einen Wolkenkratzer gelenkt werden könnte.
    Außer vielleicht ein gewisser Peter van Greenaway in seinem Roman ›The Medusa Touch‹, der bereits 1973 erschienen und 1978 mit Richard Burton und Lino Ventura in den Hauptrollen verfilmt worden war.
    Palinski hatte die Szene mit dem von Burton gespielten Sonderling, der ein Flugzeug auf telekinetischem Wege in einen Wolkenkratzer lenkte, noch genau vor Augen.
    Natürlich durfte man sich die Szene nicht 1:1 in die Realität umgesetzt vorstellen. Die Anregung für einen Terroristen wäre ja auch nicht gewesen, einen dieser riesigen Vögel nur mit der Kraft seiner Gedanken mit Millionen Tonnen von Beton und Stahl kollidieren zu lassen. Nein, das sicher nicht. Sondern schlicht und ergreifend auf die einfachste denkbare Art und Weise. Nämlich einzig und alleine mit der von seinen gewaltigen Düsen erzeugten Kraft. Und das aus keinem anderen Grund, als damit eine Botschaft zu platzieren. Oder etwas zu beweisen. Wie Jack Morlar bzw. Richard Burton im Film das getan hatte.
    Gerade die Umgebung Wiens hatte ein besonders attraktives Ziel für einen allfälligen Megaanschlag aus der Luft zu bieten: nämlich die zwischen der Stadt und dem Internationalen Flughafen liegende Großraffinerie mit ihrem Zentraltanklager am nördlichen Donauufer. Gewiss ein Ziel mit geringerem Symbolcharakter als die Twin Towers, aber mit enormer strategischer und wirtschaftlicher Bedeutung für den Osten des Landes. Wie sich da ein simpler Unfall auswirken würde, konnte man sich nach dem schrecklichen Treibstofflagerbrand nahe London im Dezember 2005 nur zu deutlich vorstellen. Ganz zu schweigen von einem gezielten Anschlag. Da könnte man schon einiges an ›emotions‹ erwarten, oder?
    Ein wirklich wirksamer Schutz dagegen war schwer bis kaum vorstellbar. Denn selbst ein nur temporäres Verbot, das gewaltige Areal zu überfliegen, war angesichts der mehr als eintausend täglichen Flugbewegungen am quasi benachbarten Airport Vienna kaum realisierbar, ohne den größten Flughafen der Region lahmzulegen. Da würden auch die regelmäßig äußerst martialisch über die Stadt düsenden Euroflyer sowie die in Permanenz patrouillierenden Hubschrauber nur wenig helfen. Die eleganten, ziemlichen Krach machenden Fluggeräte würden zwangsläufig zur dramatischen Staffage einer gigantischen Inszenierung reduziert und zum Placeboeffekt degradiert werden.
    Es war erstaunlich, dachte Palinski, dass bei dieser Nähe des Flughafens zur Raffinerie noch nie etwas der Art vorgefallen war. Eingedenk Murphys Gesetz, dass nämlich ›alles, was schiefgehen kann, auch einmal schiefgehen wird‹, wurde die Wahrscheinlichkeit eines entsprechenden Vorfalls allerdings mit jeder Minute größer.
    Was aber, wenn just er mit der Bekanntmachung seiner Überlegungen und Zweifel diesen Vorfall, dessen Möglichkeit er eigentlich nur aufzeigen wollte, das schreckliche Geschehen ungewollt initiierte, indem er jemanden auf dumme Gedanken brachte? Und die Katastrophe damit schlicht und ergreifend erst auslöste? War er in so einem Falle als unbestritten prominentes Glied in der Kausalkette dann auch für die unabsehbar grauenhaften Konsequenzen mitverantwortlich?
    Im strafrechtlichen Sinne sicher nicht, aber …?
    Andererseits, wenn der Autor wider besseres Wissen, aus Skrupel, Feigheit oder aus welchen Gründen auch immer geschwiegen und mit diesem Schweigen den Eintritt eines Verbrechens oder terroristischen Anschlages begünstigt hatte, wie sah es dann mit seiner Verantwortung aus?
    War es ihm, Mario Palinski, nach diesen Überlegungen und den Fragen, die er sich gestellt hatte, überhaupt noch möglich, etwas unbewusst oder ungewollt zu tun oder zu lassen? Aber war das nicht das Schicksal jedes denkenden Menschen überhaupt, das Risiko des Lebens? Das waren nicht gerade einfache, beruhigende Gedanken für einen friedlichen Morgen, musste sich Palinski eingestehen. Über dieses Thema wollte er bei Gelegenheit unbedingt noch sehr gründlich nachdenken. Jetzt war es aber besser, das
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