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Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
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mir einen Gefallen, chérie «, sagte er. »Sorg dafür, dass er weiß, ich bin auf deiner Seite, okay?«

5
    Ständig sah ich einen ganz bestimmten Werbespot für Windeln ins Fernsehen. Eine Reihe von lächerlich niedlichen Babys, die lachten oder brabbelten, krabbelten oder auf dem Rücken lagen und mit Armen und Beinen ruderten, dazu süßliche Klarinetten. Das letzte Bild wechselte dann zu einer hübschen jungen Mutter, blond und vor Gesundheit nur so strotzend, in einer blassblauen Strickjacke mit weißer Bluse, das frisch gewindelte Baby auf den Armen, dazu trafen sich die Klarinetten in einer überraschend zarten, intensiven Stimmung, um den Bund der Liebe zwischen Madonna und Kind zu symbolisieren, die sich hochheilig und ewig in die Augen sahen. Es gab keinen Zweifel daran, dass diese gesunde junge Frau voller amerikanischem Kalzium töten würde, um ihr Kind zu beschützen, auch nicht daran, dass sie für eine solche Tat das Lob ihrer Gattung einheimsen würde. Immer wieder sah ich diesen Spot, konnte mich ihm nicht entziehen. Jedes Mal, wenn ich die ersten Klarinettentöne hörte, schoss mir die Angst von der Kopfhaut bis in die Fingerspitzen, und das Kind in mir nahm eine bedrohliche Masse an. Aber ich konnte nicht umschalten. Ich musste hinschauen, selbst in den Tagen, bevor ich Delilah Snow begegnete – doch erst danach verstand ich, warum.

    Zwei Stunden vor Vollmondaufgang saß ich mit einem Stapel von Jakes Tagebüchern im Fenster meines Schlafzimmers, in eine Decke gewickelt, schwitzte und zitterte, wurde vom Schmerz lässig gepackt und wieder losgelassen, und ich fragte mich, wie schlimm erst die Geburt werden würde. »Meine Cousine Janine sagte, es sei so ähnlich, als wolle man einen steinharten Schiss von der Größe eines Kindes absetzen«, hatte Lauren behauptet. »Das muss man sich mal vorstellen. Und es könnte sich um ein Riesenbaby handeln. Ich habe es nachgeschlagen. 1879 hat eine Frau ein Kind von über zwanzig Pfund zur Welt gebracht. Das sind zehn Packungen Zucker auf einem Haufen …« Als Kinder hatten Lauren und ich unsere Puppen geliebt. Aber wir hatten ihnen auch Arme und Beine ausgerissen oder ihnen Nadeln in die Augen gebohrt, so sehr faszinierte uns ihre eingesperrte Empfindsamkeit, ihre umfassende Paralyse angesichts unseres Willens. Und waren wir der Folter überdrüssig, liebten wir sie wieder, so als sei der Missbrauch niemals geschehen.
    Wolf rückte sich zurecht, drückte gegen meine Wirbelsäule, spaltete mir kurz die Ellbogen. Mir klapperten die Zähne, dann hörte es wieder auf. Ich nahm mir eins von Jakes Tagebüchern vom Stapel neben mir.
    ›In der Zwischenzeit ging alles wie gewohnt weiter, Bloomingdale’s und Desperate Housewives und Weihnachten und die Regierung‹, las ich.

    ›Auch sie machte in ihrer außergewöhnlichen Doppelform weiter. Ich konnte das an ihren angespannten Schultern, ihrem geröteten Gesicht und der Sorgfalt erkennen, mit der sie ihr Make-up ausbesserte. Dieser unbelohnte Mut, das besondere Ausmaß ihrer Entschlossenheit, trotz alledem, trotz der Tatsache, ein Ungeheuer zu sein, nicht zusammenzubrechen, tat mir im Herzen weh. Es tat mir im Herzen weh (ach, das Herz war hellwach, es stand aufrecht), dass sie ganz allein hatte mutig sein müssen.‹

    Aber sie hat nie geglaubt, ganz allein zu sein. Sie war romantisch genug veranlagt, um davon auszugehen, dass sie es nicht war.
    Und sie war es auch nicht gewesen.
    Jetzt schon.
    Ich hatte Jakes Tagebücher. Sechs Wochen nach Beddgelert hatte mich mein Dad angerufen und mir mitgeteilt, dass im Restaurant ein Brief für mich angekommen sei mit der Aufschrift PERSÖNLICH. (Mein Dad. All die unvermeidlichen Lügen. Natürlich konnte ich nicht bei ihm bleiben. Jeder in meiner Umgebung war in Gefahr. Also sagte ich ihm, ich würde wieder an die UCLA gehen und mein Masterstudium beenden. Das Ganze versüßte ich noch mit der Aufgabe, ein drittes Restaurant zu finden, das er ganz allein betreiben sollte. Aber das Geld, Lu, um Himmels willen, wo kommt denn das ganze Geld her? Zwei Freunde in Palm Springs wollen investieren. Was, die beiden Schwulen? Nein, nicht die. Die beiden kennst du nicht. Ich war mit ihnen im College … Und so weiter, eine immer größer werdende Fiktion, die sich bemühte, die irre Wahrheit zu verbergen, die ihn sonst umbringen würde: Nikolai, deine Tochter ist eine Werwölfin. Haare, Klauen, Fangzähne, die ganze B-Movie-Nummer. Zwölf Opfer. Du willst es nicht wissen.
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