Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Bad Moon Rising

Bad Moon Rising

Titel: Bad Moon Rising
Autoren: Glen Duncan
Vom Netzwerk:
nahm Wochen, Monate, Jahre des Leugnens hin – dann zog es sich urplötzlich heraus und drehte sich verächtlich zu dir um: ›Du blöde Kuh. Er ist weg. Du wirst ihn nie wiedersehen. Glaubst du vielleicht, es gibt eine Belohnung, wenn du nicht weinst? Glaubst du, wenn du nur lange genug trauerst, wird sich der Tod erweichen lassen und ihn wieder lebendig machen? Wach auf, Schwester. Ob nun der letzte Werwolf oder nicht, er war auch nicht mehr als ein Fetzen Papier auf dem Weg in den Ofen – und du auch. Also lass die Tränen kullern, steh auf und hör auf dir einzureden, dass der Tod – besser gesagt, das Leben – sich einen Scheiß dafür interessiert.‹
    Es war eine düstere, eingehende Zeit da unter den Neonlichtern, als ich den chemischen Geruch des Teppichs und den traurigen alten Duft der Bücher einatmete. Jake hatte das Leben erträglich gemacht. Jake war fort. Ziehen Sie selbst die offenkundige Schlussfolgerung.
    Jedes Mal, wenn ich dachte: ›Also los, steh auf, du Dummkopf‹, stellte ich fest, es ging nicht, also schloss ich wieder die Augen und umklammerte mich selbst.
    Schließlich stand ich doch auf. Es ging nicht anders, sonst hätte ich mich an Ort und Stelle eingenässt. Die Biologie kümmert sich nicht um deine großen Augenblicke. Schwangere Biologie erst recht nicht. Ich hatte nichts, worin ich die Tagebücher hätte tragen können. Also musste ich sie wieder einschließen und mit einem Rollkoffer abholen. (Miles Porter in seinem silbernen Anzug reagierte mit einer kaum verhohlenen Freude auf die Vernunft all dieser Manöver.) Man sollte meinen, ich hätte mich eingeschlossen und den ganzen Stapel chronologisch gelesen, aber irgendwie brachte ich das nicht über mich. Von Anfang bis Ende zu lesen, hätte nur bestätigt, dass ich alles von Jake hatte, was ich kriegen konnte. Stattdessen las ich im Laufe der Monate immer mal hier, mal da. Eher wie eine Unterhaltung. Eher so, als hätte ich ihn bei mir.
    ›Immer wieder denke ich, ich sollte noch mit Harley schlafen, bevor ich verschwinde‹, las ich.

    ›Schließlich habe ich auch mit Männern Sex gehabt. In zweihundert Jahren kommt so was vor, so wie alles andere auch mal vorkommt. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts hatte ich alles Erdenkliche unternommen, um mich komplett bisexuell zu geben (Oscar Wilde saß im Bau, meine Sodomie konnte also politische Referenzen vorweisen), und ich rühme mich, wie dies nur wenige Männer können, es auf die alte Collegeart probiert zu haben. Doch mit Anbruch des 20. Jahrhunderts musste ich einräumen, dass ich trotz meines vornehm elastischen Anus eine deutliche Schwäche, will sagen Stärke, für die Frauen hatte …‹

    Bis zum zweiten Trimenon, als sich mein Körper in eine Kampfzone verwandelte, lief es mit dem Sex wie üblich. Ein dreckiges Geschäft sinkender Erträge. Mit dem Fluch Libido ließ sich nicht streiten (überhaupt nicht), aber die meiste Zeit war es so, als würde man trinken, obwohl man schon so betrunken war wie nur möglich. Ich hatte die Samenflecken und den lieblosen Geruch der Kondome satt, die zugezogenen Vorhänge am Nachmittag und die Typen, die entweder nicht wussten, was sie sagen sollten, oder den Mund nicht halten konnten. Tante Theresas Erklärung stupste mich wie ein Hund, der nicht begriff, dass ich nicht länger sein Frauchen war. Selbst als Kind der postmoralischen Zeit kam ich mir meistens jämmerlich und wie eine Schlampe vor – das Gesicht auf dem Kissen verzerrt, Hintern in die Höhe, der Mund murmelte: »Fick mich … fick mich … fick mich« –, denn ich stellte mir dabei vor, wie mein rehäugiger Vater (nie meine Mutter) in der Ecke stand und in trauriger Ungläubigkeit den Kopf schüttelte. Wohl als Ersatzvorstellung für jene, in der er in trauriger Ungläubigkeit den Kopf schüttelte, wenn ich jemandem die Nieren herausgerissen hatte und sie verschlang wie Blätterteigpastetchen. Es dauerte nicht lange, da verließ ich mich auf die Dienste von Escortagenturen, deren Angestellte zumindest nicht mit Smalltalk rechneten und gingen, wenn man sie hinauswarf; aber selbst das war nicht aufrichtig. Zum einen hatte ich nicht Jakes Gabe, mich von jemandem anmachen zu lassen, den ich für einen Idioten hielt. Zum anderen verlor die männliche Grobheit, die mich schuldbewusst feucht werden ließ, ihre erotische Wirkung, wenn ich mir diese Männer vorstellte, wie sie mir in meiner anderen Form begegneten. Es war schwer, die sexuelle Prahlerei eines Kerls
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher