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Backstage

Backstage

Titel: Backstage
Autoren: Marion Schwarzwälder
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einer Observierung. Sie stieg aus, lief zu dem Haus, das Päckchen als Alibi in der Hand.
    Eine Frau lehnte, den Oberkörper auf dem Kissen, aus dem Fenster der Wohnung im Hochparterre, sie sprach Paula an. «Suchen Sie jemand?»
    «Privatpost. Ich habe ein Paket für Herrn Ehlers.»
    «Können Sie mir geben. Ich nehme für alle Mieter die Post an. Ehlers hat doch Schichtdienst.»
    «Und Frau Ehlers?»
    «Der ist Junggeselle. Eine Frau Ehlers gibt es nicht.»
    In diesem Moment trat Ehlers aus der Haustür.
    Paula knallte ihm das Paket vor die Füße, holte aus und schlug ihm die offene Hand ins Gesicht.
    Samstagnachmittag, fünfzehn Uhr zwanzig. Olympiastadion Berlin.
    Hertha gegen Freiburg.
    Die beiden Fußballmannschaften beendeten die Aufwärmphase, die Spieler gingen zurück in die Kabinen.
    Die Mannschaftsaufstellung wurde über Lautsprecher angesagt, schnell die Spieler der gegnerischen Mannschaft, dann die der eigenen, nur die Vornamen, dann brüllten die Zuschauer die Nachnamen.
    «Besser und billiger als jede Therapiestunde», hatte Tamara erwidert, als Paula erstaunt hörte, wo Tamara jeden zweiten Samstagnachmittag verbrachte.
    Tamara nahm rasch ihren Platz im Oberring ein, Stammplatz, begrüßte die Umsitzenden mit Handschlag, einer fehlte heute, und sie konnte es sich bequem machen in den engen Reihen.
    Sie brüllte die Namen der Stürmer noch mit. Die Fans in der Ostkurve machten Stimmung.
    Einlauf, Seitenwahl, Anpfiff. Tamara vergaß die Woche, die Freude über den neuen Job. Das Spiel, temperamentvoll von der Heimmannschaft begonnen, verflachte nach fünfzehn Minuten. Querpässe, Angsthasenfußball.
    Und noch mal nach hinten. Keiner ging mit dem Ball, es dauerte zu lange, bis man vorne war, sich dem Sechzehner näherte, man spielte umständlich. Immer aus dem Halbfeld hoch in die Mitte rein, wo alle Spieler sich klumpten und jeder hohe Ball von der gegnerischen Abwehr runtergepflückt wurde.
    Meine Güte. Wieder kein Flügelspiel.
    Wie spielt man denn eine Viererkette aus, bis zur Grundlinie und in den Rücken der Abwehr flanken.
    Valiumfußball. Die wollen nur die Null verteidigen, statt selbst eins zu schießen. Auf eigenem Platz.
    Tamara stöhnte, brüllte, sprang auf, redete auf den Nachbarn ein und der auf sie.
    Das war kein Abseits, das war gleiche Höhe. Bestenfalls passives Abseits.
    Die Ostkurve stimmte Gesänge an, trommelte die Mannschaft nach vorn.
    Die Spieler von Hertha verkrampften.
    In der Pause jeder ein Trainer, meckern, und die Hoffnung auf ein besseres Spiel in der zweiten Halbzeit.
    Das wurde es. Aber nicht von der eigenen Mannschaft, die gegnerische merkte, dass hier etwas ging.
    Zwei Gegentore in rascher Folge.
    Im Stadion wurde es ruhiger, jetzt hörte man sogar die mitgereisten Fans der gegnerischen Mannschaft, die diese lautstark anfeuerten.
    Tamara schrie sich die Seele aus dem Leib: Mensch, wenn die nicht mal gegen eine vom unteren Tabellendrittel gewinnen? Was machen die eigentlich im Training? Keine Ballbehandlung, dem verspringt regelmäßig der Ball.
    Aber jetzt, ein schneller Angriff, Konter im eigenen Stadion, Tamara sprang auf: Toooor.
    Es wurde noch ein Unentschieden. Zu wenig für den selbst formulierten Anspruch der Mannschaft.
    Alles rausgebrüllt. Erschöpft. Sauer über die verpennten ersten fünfzig Minuten. Schlaffer Einsatz bei zu vielen, das bei dem Gehalt und den Eintrittspreisen, wie der Nachbar sagte. Und dann jammern sie noch rum, dass man sie schlecht macht in der Presse.
    Tamara gab ihm die Hand, auch den anderen in der Reihe hinter ihr. Bis in zwei Wochen, zum nächsten Heimspiel.
    Tamara überließ sich dem Pulk, der aus dem Stadion drängte, die Gesichtszüge wieder unter Kontrolle.
    Rasch zur S-Bahn, nach Hause, zur Sportschau, danach stünde sie der Welt wieder zur Verfügung.
    Die Stadt ihr so fremd wie ihr Ursprung, ihre wahre Abstammungsgeschichte; unbekannt auch, was vor ihr lag. Noch war ihr die Tragweite ihrer neuen Lebenssituation noch nicht wirklich bewusst.
    «Go and visit Checkpoint Charlie», hatten Bekannte, die Berlin bereits besucht, Gladys geraten.
    Kochstraße, ehemals Berlin West.
    Allied Checkpoint. Von weitem zu sehen das übergroße Foto eines Soldaten oder Offiziers der amerikanischen Streitkräfte.
    Ein Wachhäuschen auf der Straße, davor brusthoch Sandsäcke gestapelt, Fotomotiv für die Besucher: Eine duckte sich dahinter, einer mimte ein Gewehr in Händen, den Lauf auf die Sandsäcke gestützt, die Kamera im
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