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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition)
Autoren: Thomas Reich
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kriegen konnte, dann nahm er mich als seinen Träger in Kauf.
     
    *
     
    „Ich habe seine Spur verloren.“
    „ Konzentriere dich. Du allein bist unsere Hoffnung.“
    Steves Stimme schien von weit her zu kommen, stimmte ein in den Kanon der Stadt, die Zacks Namen rief.
    „Ich bin seinen Erinnerungen gefolgt, solange welche da waren. Nun gibt es keine Brotkrumen mehr, die er ausstreuen könnte.“
    „ Du hast gesagt, er wäre stärker geworden mit jeder Erinnerung. Gilt das auch für seine Präsenz?“
    „ Vielleicht.“
    „ Erzähl hier keinen Bockmist, ich spüre ihn doch auch. Wie ein starker Sendemast, der Radiowellen ausschickt.“
    „ Dann folgen wir dem Signal. Es wird schon wissen, wohin es uns führt.“
     
    *
     
    Die Näherinnen waren heute da gewesen. Hüpften eifrig mit dem Maßband um mich rum. Heben sie mal den Arm. Heben sie mal das Bein. Brav, gib Pfötchen. Sie kicherten wie aufgeregte Schulmädchen kurz vor dem Abschlussball. Endlich hatten sie ihre Scheu vor mir abgelegt. Oder sie schämten sich für gar nichts mehr, nachdem die Ziele offen auf dem Tisch lagen. Sie schäkerten sogar ganz offen mit mir, wie es auch Pflegerinnen im Altenheim tun. Ach wie putzig der Greis doch war. Hinter all der Freundlichkeit verbarg sich eine tief greifende Verachtung. Sie tänzelten um mich herum wie Katzen, die mit der Maus spielten. Für sie war ich noch nicht der große Zampano. Sie konnten sich über Grenzen des Anstands leichter hinwegsetzen, da sie mir näher waren, vertrauter. Der Messias zum Anfassen. Und das war erst der Anfang. Sie bauten mich auf. Product placement. Ein neues Produkt eroberte den Markt. Gestriegelt und geschniegelt.
     
    *
     
    „Das Babylon Imperial building?“
    „ Ganz oben.“
    „ Da müssen wir auf mehreren Etagen an Regierungsbüros vorbei.“
    „ Das ist mir bewusst. Chase sperrt ihn ein, damit er ihm nützlich sei.“
    „ Und wie willst du da reinkommen?“
    „ Wie das gemeine Fußvolk. Direkt durch die Eingangstür.“
    „ Du bist wahnsinnig!“
    „ Nein, mutig. Aber bis zu den Büros der Banken und Versicherungen sollten wir ohne große Hindernisse kommen. Danach sehen wir weiter.“
    „ Dann los, bevor uns der Mut verlässt.“
     
    *
     
    „Drehen sie sich doch einmal.“
    Ich drehte mich einmal um die eigene Achse. Chase nickte wohlwollend.
    „Und, wie fühlt es sich an?“
    „ Trägt sich bequem. Allerdings ist der Stoff etwas schwer.“
    „ Das liegt an den eingewirkten Goldfäden. Die bringen ganz schön Gewicht auf die Waage. Aber ich bin mit der Wirkung sehr zufrieden.“
    „ Wer hat sich denn die Soutane ausgedacht?“
    „ Oh. Die Idee kam von der Marketingabteilung. Aber es wäre doch etwas albern gewesen, sie in Jeans und Turnschuhen antreten zu lassen, nicht wahr?“
    „ Nein, das passt ganz gut zum Bild, was die Menschen von mir haben sollen.“
    „ Morgen ist ihr großer Auftritt. Entspannen sie sich. Sie machen das ganz gut.“
     
    *
     
    Bis zur einhundertdreiundneunzigsten Etage war es kein Problem. Dort gab es ein Moviecafé mit Panoramablick über die Stadt. Zack gab ihre letzten Dollar für zwei Latte macchiato aus. Die Preise waren genauso astronomisch wie die Lage exklusiv.
    „ Ich hoffe, du hast ’ne gute Idee, wie es jetzt weitergehen soll. Wir sind gerade zwei Cents davon entfernt, vollständig blank zu sein.“
    „ Mach dir mal keine Sorgen, ich weiß, was ich tue. Warte hier auf mich, ich check mal die Lage.“
    Zack sah seinem Freund nach, wie er sich in Richtung der Toilette bewegte. Um ihn herum das Geklapper und der Smalltalk an den Tischen, die wie eine düstere Wolke in seinem Kopf anschwoll. Aber eigentlich war er ihre Kulisse, der Junge am Tresen, der seinen Kaffee trank, während das Leben von ihm keine Notiz nahm.
    „Kannst aufhören Löcher in die Luft zu starren, ich habe den Zugang zum Treppenhaus gefunden.“
    Steve leerte seinen mittlerweile abgekühlten Kaffee in einem Zug. Wischte sich entschlossen den Milchschaum von der Oberlippe.
    „Der Schlüssel passt. Los geht’s.“
    „ Welcher Schlüssel?“
    „ Du hast wohl vergessen, dass meine Mutter im Babylon Tower arbeitet.“
    „ Wird sie ihre Schlüssel nicht vermissen?“
    „ Glaube ich nicht. An ihrem freien Tag habe ich Kopien machen lassen. Sie weiß gar nicht, dass ich sie habe.“
    Zack schulterte seinen Rucksack und folgte ihm.
     
    *
     
    „ Warst du schon mal auf der obersten Etage des Imperial Building?“
    „ Ne, kenne ich auch nur von
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