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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition)
Autoren: Thomas Reich
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Postkartenmotiven.“
    „ Ich war schon mal oben.“
    „ Erzähl doch kein Scheiß.“
    „ Echt.“
    „ Wirklich ganz oben?“
    „ Ganz oben, wenn ich’s dir doch sage.“
    „ Wow. Da muss ja der liebe Gott wohnen.“
    „ Das, oder nahe daran. Na sagen wir mal, nahe daran.“
    „ Ne… geht das denn so einfach? Da gibt es doch bestimmt Sicherheitskontrollen ohne Ende.“
    „ Meine Mutter arbeitet dort. Ich hab mir ihren Schlüssel geborgt und bin einfach hoch.“
    „ Cool.“
    „ Da gibt es einen Pool oben, der hundert Meter lang ist. Das Wasser ist auch im Winter geheizt. Da kann man schwimmen, wann immer man Lust dazu hat.“
    „ Wie ist das Wasser?“
    „ Kühl im Sommer und warm im Winter.“
    „ Alter, du warst nie da oben!“
    „ Na, wenn ich’s dir doch sage.“
     
    *
     
    Wohin sie ihr Weg führte, wussten sie beide nicht so genau. Wie Würmer im Körper eines Riesen arbeiteten sie sich vor. Nahezu blind, angetrieben nur durch ihren inneren Kompass. Nein, Zacks Kompass. Denn er spürte den Wächter. Und Steve begann die Nähe des Wächters auch zu ahnen. Ein Kribbeln, das ihm das Fleisch vom Knochen schälte. Es war der Abend vor Weihnachten, wo die Kinder länger aufblieben, um einen Blick auf den Weihnachtsmann zu erhaschen. Doch viel zu früh wurden ihnen die Augen schwer, und sie verschliefen den großen Moment. Vielleicht war es gut so. Denn wer mochte garantieren, dass der mondrote Kittel Gutes verhieß? Bloß weil es alle Kinder sagten. Eine Überzeugung, die im Kindergarten weitergegeben wurde von einer Generation an die nächste.
    So ähnlich ging es den beiden, die mehr ahnten, als sie wussten. Weiter oben konnten sie vielleicht wieder einen Aufzug besteigen. Bis dahin geisterten sie durchs Niemandsland, weder Fisch noch Fleisch. Laut Steves Mutter gab es zwei Aufzüge, und nur einer führte nach oben zum Penthouse. Sie kamen vorbei an Morgan Stanley. Thor Technologies. Bright China Capital. Network Plus Corporation. Auf jedem Stockwerk funkelte eine Messingplakette mit der Firmeninschrift. Erhaben und bedrohlich. Als wollte das Gebäude den Jungen Angst einflößen. Manche Firmen besetzten mehrere Stockwerke. Andere nur eines. Durch ihre Größe zeigten sie ihre Macht. Pfaue, die ein Rad schlugen, um ihre Gegner zu beeindrucken. Leere Schreibtische, die mehr Gewicht hinterließen. Das Sitzfleisch tausender Angestellter. Arsch an Arsch, den Aufsichtsrat noch nicht einmal mitgerechnet. Vielleicht zwanzig Etagen später legten sie eine Pause ein. Völlig außer Puste. Vielleicht waren es auch vierzig Stockwerke oder fünfzig, schwer zu sagen.
    „Wo ist denn dein sagenhafter Aufzug? Oder willst du den ganzen Aufstieg zu Fuß bewältigen?“
    „ Nur Geduld, mein Lieber. Entweder schleichen wir uns über die Versorgungsgänge rein oder wir überlegen uns eine Tarnung.“
    „ Aber auch hier sind wir nicht wirklich sicher. Zweimal sind wir Menschen über den Weg gelaufen. Bis zum Penthouse ist es nur eine Frage der Zeit, bis jemand das Wachpersonal alarmiert.“
    „ Daran habe ich gedacht. Nach Gibbs and Hill sollte ein Versorgungsraum kommen. Vertrau mir einfach, okay?“
    „ Ein Wartungsraum oder so?“
    „ Der mittlere Hausmeistertrakt. Einer von dreien.“
    „ Sag es mir. Ich sehe nur den Wächter, du den Weg.“
    „ Wir schleichen uns da rein und ziehen ein paar Blaumänner über. Wenn uns jemand fragt, gehören wir zum Wartungstrupp der Klimaanlage.“
    „ Genial.“
     
    *
     
    Steve zog seinen Schlüsselbund hervor, der ihnen schon so manche Tür geöffnet hatte. Mit einem leichten Quietschen ging die Tür auf. Vor ihnen lag ein gefliester Gang. Irgendwo dudelte ein Radio. Zack legte seinen Zeigefinger auf die Lippen und deutete eine Geste des Schweigens an. Steve folgte ihm auf Zehenspitzen. Die Türen hier drin waren nicht verschlossen. Wer wollte auch ein paar alte Putzlumpen stehlen? Wenn nichts einen Wert hatte, fiel das Vertrauen leicht. Im ersten Zimmer fanden sie ein Vorratsbataillon an Meister Proper, Klopapier und Bohnerwachs. Steve untersuchte die Regalborde nach Nützlichem, was ihnen bei ihrer geheimen Erstürmung nutzen konnte. Dann passierte es.
    Durch eine unachtsame Bewegung fiel eine Flasche Dran-O zu Boden. Die Welt kam für einen kurzen Moment aus dem Takt, als sie polternd aufschlug. Zack und Steve schlug das Herz bis zum Hals. Sollte ihr Abenteuer so enden? Auf dem Gang waren Schritte zu vernehmen, die sich dem Vorratsraum näherten. Mit Grausen sah
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