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Babylons letzter Wächter (German Edition)

Babylons letzter Wächter (German Edition)

Titel: Babylons letzter Wächter (German Edition)
Autoren: Thomas Reich
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war nicht geplant.“
    „ Ich habe dich am Ärmel berührt, als du weggetreten warst. Dann gab es einen Ruck und ich flog mit dir davon.“
    „ Das war nicht ich, das war der Wächter.“
    „ Die Vision?“
    „ Nein, dass ich dich mitgerissen habe. Er wollte, dass wir es beide sehen. Um zu begreifen, wer er ist. Seine Kräfte wachsen.“
    „ Wir sind seine Augen.“
    „ Warum sollte er uns dazu benutzen?“
    „ Weil er sich nicht mehr an sich selbst erinnern kann. Und je mehr Bruchstücke er findet, desto mächtiger wird er.“
    „ Lass uns weiterziehen. Der Park wird mir unheimlich.“
     
    *
     
    Neu war der Kartenverkäufer, der lässig am Springbrunnen lehnte. Der Zustrom, der von Tag zu Tag wuchs, hatte ihn nötig gemacht. Neben den Mülltonnen hatte ein T-Shirt-Verkäufer seinen Stand aufgeschlagen. Sinnsprüche für jeden Tag. Allmählich war ich froh, keine Traktrate verfasst zu haben. Sonst würden sie mich auf ihren Schultern tragen wie einen Fußballer. Mittlerweile hatte ich meinen Job an der Uni aufgegeben und mich voll und ganz der Straßenphilosophie gewidmet. Mein Vertrag wurde im gegenseitigen Einvernehmen mit dem Dekan aufgelöst. Ich wollte raus, und die Uni konnte sich keinen Professoren mit derart aufwieglerischen Ambitionen leisten.
     
    „Wir hielten uns für Könige
    und trugen nur
    die falschen Masken
    leichter durchschaubar
    als ein abgetragener Gazeschleier
    herausgeputztes Äußeres
    perfekt schön gepflegt
     
    wir waren nur Blender.
     
    Verkümmert war das Innere
    davon sollte
    das Auge des Betrachters
    abgelenkt werden.
     
    Das wollten wir nicht sehen.
     
    Es erschien uns in der Nacht:
    Die Vision
    vom einfachen Ideal.
    Zu Blendern verführt
    aber innerlich keine Blender
    der Blender-Charakter fehlt
    jede Geste
    ein Verrat an der Hülle.
     
    Fehlen der Glaubwürdigkeit
     
    man kann kein Versteckspiel spielen
    wenn die Bäume fehlen.“
     
    Ich legte meine Unterlagen zur Seite. An der Rede hatte ich die ganze Nacht gefeilt. Ich wollte gerade zum nächsten Satz ansetzen, als der blecherne Klang eines Megaphons mich unterbrach. Ich konnte von der Bühne aus den Parkeingang schlecht überblicken, meinte jedoch, den schwarzen Twill von Polizeiuniformen gesehen zu haben.
    „Wir erklären diese Versammlung für geschlossen. Bitte gehen sie nach Hause. Es gibt nichts zu sehen.“
    Murrend machten sich die Menschen vom Acker. Ich trat von der Bühne und versuchte, mich in der Masse zu verstecken. Anonymität durch Austauschbarkeit. Der offizielle Tonfall versprach Ärger.
    „Für sie galt das nicht, Freundchen.“
    Eine schweißige Hand lag schwer auf meiner Schulter. Ich schätzte die Chancen, ihn niederzuschlagen und zu flüchten. Sah schlecht aus. Überall wimmelte es plötzlich von schwarzen Uniformen.
    „Hände hinter den Rücken!“
    Als ich dem Befehl Folge leistete, geschahen zwei Dinge: Zum einen spürte ich, wie mir Handschellen angelegt wurden, zum anderen einen heftigen Schlag auf den Hinterkopf.
     
    *
     
    Zack taumelte gegen eine Hauswand, stürzte.
    „Was ist mit dir?“
    „ Sie haben ihn verhaftet und bewusstlos geschlagen.“
    „ Du hast den Schlag gespürt.“
    „ Ich glaube den Kontakt zu ihm verloren zu haben. Ich sehe nur ein dunkles Rauschen.“
    „ Das wird seine Ohnmacht sein. Versuche, dem Impuls zu folgen. Er wird uns dorthin führen, wo sie ihn verschleppten.“
    „ Okay, du musst mich aber an der Hand nehmen und mich führen. Die Schatten um mich herum werden immer stärker. Mir ist, als wäre es Nacht.“
    „ Hier, halte dich fest.“
    So kam es, dass der Unwissende den Blinden führte. Steve hatte ihre beiden Skateboards zwischen seinen Rücken und seinen Rucksack geklemmt. Es war ein wenig unbequem, aber es ging.
    Es wurde ein langer und beschwerlicher Marsch. Zack schien nun vollständig das Sehvermögen verloren zu haben. Manchmal klagte er über unangenehme Geräusche wie das Klingeln einer Glocke, doch Steve vermochte nichts zu hören. Zack verfügte nicht über den übernatürlichen Tastsinn der Blinden, er war hilflos wie ein Kleinkind, das die Dinge in seiner Welt noch nicht zuordnen konnte. Nein, die Welt, die er zu kennen glaubte, geriet zusehends aus den Fugen. Im Schneckentempo schafften sie acht Blocks. Vor einer verlassenen Fabrik kam Zack so urplötzlich zu stehen, dass es Steve war, der zu Boden fiel.
    „ Verdammt, kannst du denn nicht Bescheid geben, wenn du anhalten willst?“
    „ Hier ist es.“
    „ Was, in dem alten
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