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Babylon in Hongkong

Babylon in Hongkong

Titel: Babylon in Hongkong
Autoren: Jason Dark
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lösen, oder sie zu richten. Das Knacken erklang mal lauter, dann wieder leiser, aber es hörte in den nächsten Minuten nicht auf, es war immer vorhanden, begleitet von stöhnenden Atemzügen und einigen scharf geflüsterten Worten, die ungehört verhallten.
    Die unheimlichen Geräusche blieben, sie wollten einfach nicht aufhören, bis zu dem Augenblick, als die im Finstern sitzende Person den linken Arm ausstreckte und sich die Finger seiner Hand um eine Kordel schlossen, um daran zu zerren.
    Er selbst hörte nur ein Surren, als sich das Band bewegte, aber irgendwo an Deck der Dschunke erklang ein Signal, das einen Menschen aufschreckte, der aussah wie ein Relikt aus der chinesischen Vergangenheit.
    Sein rundes Gesicht war hell geschminkt, und einer der hellen Streifen zeichnete besonders stark den Nasenrücken nach, um ihn hervortreten und die Nase größer wirken zu lassen. Die mit Mongolenfalten umgebenen Augen waren durch dünne, dunkelblaue Pinselstriche besonders nachgezogen worden, die Augenbrauen durch die gleiche Farbe zu Balken verstärkt und scharf ausrasiert. Selbst die Uppen zeigten Farbe. Ein dunkles Rot, das aussah wie Blut. Der Mann selbst trug ein langes Gewand aus schwarzer Seide. Der aufgestickte Drache an der Vorderseite bewegte sich immer dann, wenn der Stoff Falten warf. Dann sah er aus, als würde er jeden Augenblick aufspringen wollen.
    Das Haar des schweren Mannes war nicht zu sehen, weil es von einer dunklen Kappe verborgen wurde. Insgesamt gesehen, wirkte er wie eine überschwere Puppe, aber er bewegte sich mit der Leichtigkeit eines Raubtiers über das Deck, bis er den Niedergang erreicht hatte. Bevor er im Bauch der Dschunke untertauchte, warf er noch einen Blick über die Bordwand und sah die im Mondlicht hellglänzende, hochmoderne Skyline von Hongkong.
    Sie bot ein irres Bild, eines, das die Gesellschaft widerspiegelte, die Hongkong überschwemmt hatte.
    In den letzten Jahren war sie zu einer supermodernen und sehr teuren Stadt geworden, aber es gab noch etwas, das die Fremden nicht sahen, das aber so tief in dieser Stadt verwurzelt war wie die alten chinesischen Traditionen.
    England beherrschte seine Kronkolonie, so jedenfalls dachten die Europäer. Das stimmte nicht. Hongkong und seine Menschen ließen sich nicht beherrschen.
    Der Mann, der dies dachte, verschwand wie ein Schatten vom Deck der Dschunke und tauchte ein in den gewaltigen Bauch des Schiffes, das ein so schreckliches Geheimnis barg.
    Er fand sich auch im Dunkeln zurecht, ging aber dorthin, wo der Schein einer kleinen Ölleuchte ein helles Muster in die Finsternis warf. Dort blieb er für einen Moment stehen, räusperte sich und griff zu einer Schale, auf der drei Kerzen standen. Mit einem Streichholz zündete er sie der Reihe nach an, schaute in die Flammen, sah, wie sie sich bewegten und lautlos tanzten.
    Dann ging er fort.
    Seine Schritte waren kaum zu hören. Er brachte einen langen Gang hinter sich und blieb vor einer dunklen Tür stehen. Das Licht hinterließ ein zuckendes Muster auf dem schwarzen Lack, der keinerlei Verzierungen zeigte, wie es an vielen Türen der Fall war. Der Mann klopfte.
    Ein gemurmeltes Wort erreichte seine Ohren, erst dann öffnete er die Tür. »Komm zu mir, Tao!«
    »Ja, großer Mandarin.«
    Taos Stimme hatte einen ehrfurchtsvollen Klang bekommen, denn er wußte schließlich, wem er da gegenüberstand. Einem der Mächtigsten von Hongkong, dem Mandarin, dessen Namen von vielen Menschen nur flüsternd ausgesprochen wurde.
    »Schließe die Tür bitte.«
    »Sehr wohl.« Tao bemühte sich, so wenig Geräusche wie möglich zu machen, denn der Mandarin liebte die Stille, und enttäuschen wollte er ihn nicht.
    Noch konnte er ihn nicht sehen. Der Mandarin hockte irgendwo im Hintergrund des Raumes, in dem vor vielen Jahren einmal Waren jeglicher Art transportiert worden waren. Unter anderem auch Rohopium, aber diese Zeiten waren passe. Heute stiegen die Süchtigen auf andere Gifte um, Heroin, Kokain und Crack waren die große Mode.
    Erst als Tao weiterging und das Kerzenlicht weitere Teile des Laderaums erhellte, schälte sich aus dem Hintergrund eine kompakt wirkende Gestalt hervor.
    Sie wirkte irgendwie eckig. Aber das lag nicht an ihrer Figur. Diesen Umriß gab der hohe Stuhl, auf dem die Gestalt saß. Das Gestell bestand aus Holz, die Sitzfläche jedoch aus festem Korb, der sich quietschend bemerkbar machte, wenn sich der Mandarin bewegte.
    Alt sah er aus, alt und faltig. Die Haut erinnerte an
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