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Babylon in Hongkong

Babylon in Hongkong

Titel: Babylon in Hongkong
Autoren: Jason Dark
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braungelbes Papier und die Brauen über den engen Augen an die Schwingen eines Vogels. Er besaß ein etwas flaches Gesicht, das erst in der unteren Hälfte durch den dunklen, wellenförmig verlaufenden Oberlippenbart mehr Konturen erhielt. Der Mund stand durch die zu dicken Lippen etwas vor, und auf dem Schädel wuchs nicht ein einziges Haar. Er war glatt, als würde er jeden Tag poliert.
    Der Mandarin trug ein grünes Gewand, passend zu dem ungewöhnlich dunklen Grün seiner Augen, die dem Ankömmling aufmerksam entgegenblickten.
    Tao wußte, was sie gehörte. In zwei Schritten Entfernung blieb er vor dem Mandarin stehen und verbeugte sich. Als er sich wieder aufrichtete, gab ihm der alte Mann ein Zeichen, und Tao stellte das kleine Tablett mit den Kerzen zur Seite.
    Erst als sich der Flammenschein wieder beruhigt hatte, war der Mandarin zufrieden. Er hob seine Arme, die mit den Händen aus den weiten Ärmeln des Gewandes hervorschauten. Lange, sehr lange Finger sogar kamen zum Vorschein. Ebenso ungewöhnlich für einen Mann waren die spitzen, messerartigen Nägel, die weit über die Kuppen hinwegwuchsen und wie kleine Dolche auf Tao zeigten.
    »Ich… ich habe Schmerzen«, sagte der Mandarin mit brüchig klingender Stimme.
    »Was kann ich tun?« flüsterte der Korpulente.
    Die Lippen des Mandarins verzogen sich zu einem dünnen Lächeln.
    »Nichts, außer du bringst mir gute Nachrichten. Was ist? Hast du mir gute Botschaften zu vermelden?« Wieder verneigte sich Tao. »Ich hoffe es, großer Mandarin, ich hoffe es.«
    »Rede endlich!«
    »Es müßte soweit sein, Mandarin. Jetzt ist Feng bestimmt nicht mehr am Leben. Er kann seine Botschaft nicht abgegeben haben, das glaube ich einfach nicht.«
    Der Mandarin ließ sich Zeit. Erst eine Minute später fragte er: »Sonst weißt du nichts?«
    »Nein.«
    »Das ist wenig, sehr wenig sogar. Ich kann nur noch leben, wenn ich gute Nachrichten empfange, verstehst du das? Es soll mir immer besser gehen, auch wenn ich alt bin.« Ächzend beugte er sich vor. »Glauben heißt nicht wissen, Tao. Du mußt es wissen, Tao. Merke dir das. Ich fühle, daß nicht alles glatt gelaufen ist…« Er legte den Kopf zurück und begann zu keuchen. »Schmerzen, nichts als Schmerzen, immer wieder meine Gelenke. Etwas stimmt da nicht. Es ist die Niederlage, die sich anbahnt. Unser Mann hat es nicht geschafft.«
    »Man sagte in London anderes.«
    »Woher willst du das wissen, du Narr?«
    »Ich erlaubte mir, zu telefonieren, und rief einen meiner Bekannten an. Die Nachricht hat sich herumgesprochen wie ein Lauffeuer. Es hat zwei tote Chinesen gegeben. Der eine war Feng, der andere Mann gehörte zu uns. Seine Name ist…«
    »Den will ich nicht wissen, er interessiert mich nicht. Feng ist tot, gut. Aber gibt es dir die Gewißheit, daß er seine Nachricht für sich behalten hat, Tao?«
    »Das konnte ich nicht erfahren.«
    Der Mandarin öffnete den Mund und lachte sehr leise, kaum hörbar. »Du konntest es nicht erfahren, ja, ich weiß schon, du hast es nicht erfahren können. Aber ich spüre die Schmerzen, sie zerren an mir, sie wollen meinen Körper zersägen. Es ist furchtbar, ich kann bald nicht mehr durchhalten.« Er hob den rechten Arm und umklammerte mit der linken Hand drei seiner Finger. Dann drehte er die Hand, als wollte er die Finger dabei auseinanderreißen.
    Tao hörte das Knacken und Reißen. Die Knochen und die Sehnen meldeten sich. Sein Gesicht verzerrte sich zu einer Grimasse. Als er ausatmete, hörte es sich an, als würde ein alter Wasserkessel anfangen zu pfeifen. Dabei schüttelte er den Kopf, streckte noch die Beine aus, deren Füße in goldfarbenen Pantoffeln mit Drachenmustern steckten, und Tao hörte das schreckliche Reißen der Sehnen in den Beinen. Der Mandarin stöhnte, als stünde er unter einer furchtbaren Folter. Er saugte japsend nach Luft, zog dabei auch seine rechten Finger lang und produzierte abermals das Knacken.
    Danach war Stille. Mit einem wohlig klingenden Aufseufzen fiel der Mandarin zurück in seinen alten hochlehnigen Holzstuhl und bat darum, daß man ihm sehr bald seine Mahlzeit brachte.
    »Und sonst noch etwas, großer Mandarin?« erkundigte sich Tao voller Demut.
    »Ja, gib acht. Gib nur darauf acht, daß du unsere Leute zusammenhältst. Ihr werdet diese Stadt unter Kontrolle halten, ihr werdet sie überwachen, denn meine Schmerzen sind grausam. Ein Zeichen, daß man etwas von mir will. Wenn die Wahrheit ans Licht kommt, bin ich verloren, dann ist es aus,
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