Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
Vom Netzwerk:
fummelte am Abzug. »Bell, nein!«, schrie ich.
    Er kam mit diesem riesigen Steinbrocken über dem Kopf näher. »Stirb!«
    Da schoss ich.
    In dem nur vom Mondlicht erhellten Wald konnte ich nicht genau sehen, was geschah. Ich hatte keine Ahnung, ob er getroffen war, aber er stürzte stöhnend zu Boden und war eine Sekunde lang still.
    Doch dann griff er erneut an. Ich schoss zum zweiten
Mal. Und noch ein drittes Mal. Beide Schüsse gingen in die Brust. Jedenfalls dachte ich das.
    Der schwere Stein, den er gehalten hatte, klaschte ins Wasser. Von einer unsichtbaren Kraft gehalten machte Bell zwei oder drei taumelnde Schritte. Dann fiel er aufs Gesicht ins Wasser. Es klatschte laut.
    Dann hörte ich nichts mehr. Schweigen im Wald.
    Ich zitterte am ganzen Leib unkontrollierbar. Mit der heilen Hand hielt ich die Pistole weiter auf Bell gerichtet. Es kostete mich unglaubliche Anstrengung, über die glitschigen Steine dorthin zu gehen, wo er lag.
    Als ich ihn endlich erreichte, rührte er sich nicht mehr. Ich nahm seinen Arm und hielt ihn hoch. Dann fühlte ich seinen Puls. Nichts. Ich überprüfte den Puls nochmal - nichts. Nichts, außer der Stille des Waldes und der grausamen Kälte.
    Michael Bell war tot und damit auch Mary Smith. Schon bald würde ich es auch sein, wenn ich nicht aus diesen eiskalten Klamotten käme.

119
    Mein langsamer Aufstieg aus dem Wasserloch, wo der Wagen aufgeprallt war, war die Hölle. Nur unaussprechliche Schmerzen, Schwindel und Übelkeit. Der einzige Segen war, dass ich kaum etwas wahrnahm.
    Irgendwie schaffte ich es zur Hauptstraße hinauf. Dort las mich ein Collegestudent in einem Geländewagen auf. Ich habe seinen Namen nie erfahren. Ich schätze, ich verlor auf dem Rücksitz das Bewusstsein.
    Am nächsten Morgen hatte man Michael Bells Leiche vom Fluss geholt, und ich ruhte mich in einem Bett im Fletcher Allen Hospital in Burlington aus. Allerdings ausruhen war wohl das falsche Wort. Ständig kam und ging die örtliche Polizei. Ich verbrachte Stunden am Telefon und sprach mit meinem Büro in Washington, dann mit der Außenstelle in L.A. und Jeanne Galletta. Ich versuchte, alles zu ordnen, was von Anfang der Mordserie an geschehen war.
    Bells Plan war eine Großtat an Verwicklung und Irrsinn, aber seine Tarnung war denkbar einfach gewesen - Ablenkung. Damit hatte er bis zum Ende Erfolg gehabt. Wie Jeanne mir erklärte, verdiente Michael Bell seinen Lebensunterhalt mit dem Schreiben und Produzieren von Geschichten. Storys waren sein Ding. Ich wäre nicht überrascht, wenn unser Fall als Drehbuch enden würde, allerdings von einem anderen geschrieben. Wahrscheinlich würde der Autor alles verändern, bis der Film den irreführenden Zusatz trug: »Basierend auf einer wahren Geschichte.«

    »Wer wird dich spielen?«, neckte mich Jeanne am Telefon.
    »Keine Ahnung. Ist mir auch egal.«
    Ich war nicht sicher, wie meine Gefühle über Mary Smith waren. Der Polizist in mir hatte nur eine Antwort, aber der Psychologe eine andere. Ich war froh, dass sie zu der Behandlung zurückgebracht wurde, die sie brauchte. Wenn Dr. Shapiro Recht hatte, könnte Mary irgendwann einmal sogar geheilt werden. Das wollte ich im Augenblick denken.
    Gegen vier Uhr ging die Tür zu meinem Zimmer auf, und Nana Mama steckte den Kopf herein.
    »Das ist ein Anblick für meine kranken Augen«, sagte ich und lächelte. »Hallo, Nana. Was führt dich nach Vermont?«
    »Ahornsirup!«, antwortete sie lakonisch.
    Sie kam für ihre Verhältnisse sehr vorsichtig näher und zuckte zusammen, als sie meinen Schulterverband sah.
    »Ach, Alex, Alex.«
    »Sieht schlimmer aus, als es ist. Na ja, vielleicht auch nicht«, sagte ich. »Hattest du Probleme, einen Flug zu bekommen?«
    »Überhaupt nicht. Man geht zum Flughafen und gibt denen Geld.«
    Sie legte ihre kühle Hand auf meine Wange. Die Berührung war so vertraut und tröstlich. Was würde ich bloß ohne diese widerborstige alte Frau anfangen, dachte ich unwillkürlich. Was werde ich tun?
    »Sie sagen, du wirst wieder, Alex. Ich nehme an, das ist relativ, oder?«
    Ich war schon früher angeschossen worden. Es ist traumatisch - da führt kein Weg vorbei -, aber es ist nicht irreversibel, zumindest war es das bis jetzt nie.
    »Ich werde so gut wie neu sein«, versicherte ich Nana. »An Leib und Seele.«

    »Ich habe den Kindern gesagt, sie sollen draußen warten. Ich möchte erst allein mit dir reden. Danach erwähne ich das Thema nie wieder.«
    »Aha, ich bekomme wieder mal
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher