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Ave Maria - Roman

Ave Maria - Roman

Titel: Ave Maria - Roman
Autoren: Blanvalet-Verlag <München>
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los? He?«, hörte der Geschichtenerzähler
und wirbelte herum, als würde ihn in der Herrentoilette ein Publikum beobachten.
    Zwei Typen vom Personal des Sutton Theatre waren hinter ihm hereingekommen. Wie standen seine Chancen jetzt? Wie viel hatten sie gesehen?
    »Herzinfarkt«, rief er und bemühte sich, überzeugend zu klingen. »Der Mann ist über dem Urinal zusammengeklappt. Helft mir, ihn hochzuheben. Der arme Hund. Er blutet.«
    Keine Panik, keine Gefühlsregung und schon gar keine Skrupel. Alles war jetzt reiner Instinkt. Richtig, falsch oder unentschieden.
    Dann hob er die Waffe und erschoss die beiden Kinoleute, die mit großen Augen an der Tür standen. Er schoss noch einmal auf sie, als sie auf dem Boden lagen. Nur zur Sicherheit. Wie ein Profi.
    Jetzt zitterten ihm die Beine tatsächlich wie Götterspeise, aber er bemühte sich, die Herrentoilette ganz ruhig zu verlassen.
    Nachdem er das Sutton Theatre verlassen hatte, schlenderte er zu Fuß auf der 57th nach Osten. Draußen kam ihm alles total unrealistisch, wie aus einer anderen Welt vor, alles war so hell und freundlich.
    Er hatte es durchgezogen. Gut, er hatte anstatt nur einen drei Menschen umgebracht. Seine ersten drei Morde. Es war nur eine Übung gewesen, aber er hatte es geschafft. Und - weißt du was? - er konnte es wieder tun.
    »Übung macht den Meister«, flüsterte der Geschichtenerzähler leise, als er zu seinem Auto ging, seinem Fluchtauto, richtig? Herrgott, das war das schönste Gefühl seines Lebens. Das ließ sein bisheriges Leben allerdings in keinem besonderen Licht erscheinen, oder?
    Doch von jetzt an, passt auf! Passt ja auf!

    Für Mary, Mary, ganz im Gegenteil.
    Selbstverständlich war er der Einzige, der das kapierte. Bis jetzt zumindest.

2
    Glaubst du, dass du eiskalt töten kannst, fragte er sich sehr oft nach den Morden in New York City.
    Glaubst du, dass du damit jetzt aufhören kannst, nachdem du es angefangen hast? Glaubst du das?
    Der Geschichtenerzähler wartete - beinahe fünf Monate quälte er sich, bis seine Zeit kam. Diese Tortur könnte man auch Disziplin oder Professionalität oder vielleicht Feigheit nennen.
    Dann befand er sich plötzlich in der Killer-Bereitschaft, doch diesmal nicht zur Übung. Diesmal ging es ums Ganze, und diesmal würde kein Fremder von seiner Hand sterben.
    In der Drei-Uhr-Zehn-Vorstellung war er nur ein Gesicht in der Menge. Es lief der Film The Village im Westwood Village Theatre in Los Angeles. Die Vorstellung war gut besucht. Günstig für ihn und wohl auch für den Starregisseur M. Night Shyamalan. Was für ein Name! M. Night? Verklemmter Angeber.
    Offenbar war Patrice Bennett unter den letzten Menschen in der Stadt, die sich den Horrorfilm anschauten. Patrice Bennett gab sich sogar die Ehre, mitten im Publikum zu sitzen, unter Leuten, die tatsächlich eine Karte gekauft hatten - alles nur, um für ihren eigenen Film in die Schlagzeilen zu kommen. Abartig! Aber dafür war sie bekannt, richtig? Es war Patrices Tick. Sie hatte sogar die Karte im Vorverkauf besorgt. Daher wusste er, dass sie dort sein würde.
    Auf alle Fälle war das jetzt kein Übungsschießen mehr. Alles musste klappen - und das würde es. Daran bestand
kein Zweifel. Die Geschichte war bereits in seinem Kopf geschrieben.
    Wichtig war, dass keiner im Kino ihn entdeckte. Deshalb ging er schon in die Zwölf-Uhr-Vorstellung und wartete nach Ende des Films in einer Kabine in der Toilette bis drei Uhr zehn. Eine Qual, zum Nägelkauen und nervenzerfetzend - aber es diente der Sicherheit. Vor allem konnte er jederzeit die Mission abbrechen, sollte ihn jemand entdecken.
    Doch der Geschichtenerzähler wurde nicht entdeckt - zumindest glaubte er das -, außerdem sah er niemanden, den er kannte.
    Jetzt waren über hundert Zuschauer im Kinosaal - oder besser mutmaßliche Täter, richtig? Zumindest ein Dutzend passte perfekt zu seinen Plänen.
    Noch wichtiger war - seine Waffe hatte einen Schalldämpfer. Das hatte er bei dem atemberaubend aufregenden Abenteuer in New York City gelernt.
    Patrice saß in einer der hinteren Reihen. Klarer Vorteil für mich, Patsy, dachte er. Du bist viel zu zuvorkommend, ganz untypisch für dich, du Superdreckstück.
    Er beobachtete sie aus einigen Reihen hinter ihr über den Gang hinweg. Es war so köstlich - er wünschte, dieses herrliche Gefühl der Rache würde nie aufhören. Allerdings wollte er auch abdrücken und so schnell wie möglich das Westwood Theatre verlassen, ehe etwas schief ging.
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