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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit
Autoren: Marco von Münchhausen
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alle Technik und die Errungenschaften der Moderne wieder über Bord zu werfen (zumal sie unser Leben ja auch erleichtern), sondern: sich erstens bewusst zu werden, was einem die Technik an Unmittelbarkeit des Lebens nehmen kann, was einem dadurch verloren gehen kann, ohne dass man es meistens noch merkt, und zweitens ab und an mal wieder »unabgeschirmt« zu agieren, um zu erfahren, wie gut das tun kann. Mit anderen Worten: manches wieder selbst zu tun, manche Tätigkeiten oder Vorhaben »enttechnisieren«, Nischen der Unmittelbarkeit schaffen: Wir können hinausgehen in die Natur, für eine mehrtägige Wanderung oder auch nur für einen Spaziergang im Park. Wir können ab und zu wieder selbst kochen und mit Freunden ein Essen zelebrieren, persönliche Briefe bisweilen wieder per Hand schreiben, Fernsehabende durch den einen oder anderen Theater- oder Konzertbesuch ersetzen, einen Urlaub ohne Pauschalreise auf ganz einfache Weise oder gar in einem Kloster verbringen … – Wege zurück zur Unmittelbarkeit gibt es genug, zu einer Unmittelbarkeit des Erlebens, in der die Sonnenstrahlen Sie direkt erreichen, Ihre innere Sonnenuhr wieder aktiviert wird und Sie Ihre Mitte wiederfinden können.

    |28| Fragen zum Nachdenken
Was schirmt mich in meinem Leben ab und verbaut meine Sonnenuhr?
Bei welchen Gelegenheiten komme ich mit meiner Mitte in Kontakt und spüre meine innere Orientierung besonders gut?
Welche Möglichkeiten hätte ich, in meinem Leben die Unmittelbarkeit von Begegnungen und Erleben zu intensivieren, sozusagen Fenster in der goldenen Kuppel zu öffnen?

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|29| Glück oder Unglück
    Können Sie sich daran erinnern, als Sie zum ersten Mal – möglicherweise verblüfft – die konträren Deutungsmöglichkeiten eines Vexierbildes wahrgenommen haben? Und warum wohl sind diese Bilder für viele Menschen so faszinierend? Vielleicht liegt es daran, dass sie je nach Betrachtungsweise völlig unterschiedliche Interpretationen des gleichen Phänomens zulassen. Eines der bekanntesten dieser Bilder zeigt eine Frau, die je nachdem, wie man das Bild ansieht, als junge, elegante Dame oder als griesgrämige Alte erscheint.

    Das Raffinierte an diesen Bildern ist: Wer sich vorschnell auf eine Darstellung festlegt, braucht oft recht lange, bis er auch die zweite Sichtweise findet. Wer also zu schnell bewertet und deutet, der sieht nur die halbe Wahrheit. Auch im realen Leben kommt es häufig zu Situationen, deren ganze Tragweite sich nicht sofort erschließt:
    |30| Eine sehr alte chinesische Tao-Geschichte erzählt von einem Bauern in einer armen Dorfgemeinschaft.
    Man hielt ihn für gut gestellt, denn er besaß ein Pferd, mit dem er pflügte und Lasten beförderte.
    Eines Tages lief sein Pferd davon.
    Alle seine Nachbarn beklagten ihn, wie schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur: »Vielleicht.«
    Ein paar Tage später kehrte das Pferd zurück und brachte zwei Wildpferde mit.
    Die Nachbarn beneideten ihn nun, weil er so ein Glück hatte, aber der Bauer sagte nur: »Vielleicht.«
    Am nächsten Tag versuchte der einzige Sohn des Bauern , eines der Wildpferde zu reiten.
    Das Pferd warf ihn ab, und er brach sich ein Bein. Die Nachbarn übermittelten ihm ihr Mitgefühl für dieses Missgeschick , aber der Bauer antwortete wieder nur: »Vielleicht .«
    In der nächsten Woche kamen Rekrutierungsoffiziere ins Dorf und holten alle jungen Männer zur Armee. Den Sohn des Bauern wollten sie nicht, weil sein Bein gebrochen war.
    Als die Nachbarn kamen, um ihm zu sagen, was für ein Glück er habe, antwortete der Bauer: »Sagt einfach, sie haben meinen Sohn nicht mitgenommen. Wir sehen nur einen kleinen Teil des Ganzen, und ob das Glück oder Unglück ist, wissen wir nicht.«
    Wie bei einer Medaille haben viele Dinge nun mal zwei Seiten. Die andere Seite ist zunächst verborgen und wird erst erkennbar, wenn man die Medaille umdreht.
    Manchmal offenbart sich diese andere Seite durch zeitliche Entwicklung , wie in der obigen Geschichte vom chinesischen Bauern. Haben Sie nicht auch schon die Erfahrung gemacht, |31| dass sich so manches zunächst unerwünschte Ereignis rückblickend als positiv für Ihr Leben und Ihre Entwicklung erwiesen hat? Und sei es auch nur dadurch, dass die Bewältigung dieser Schwierigkeit Ihre Standkraft gestärkt hat. Wer oft vom Surfbrett fällt, verliert mit der Zeit die Angst davor und gewinnt mehr und mehr Standfestigkeit in den Wellen. So können sich manche Krisen im Nachhinein als
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