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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit
Autoren: Marco von Münchhausen
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nicht nur aus Berechnung erfolgt, ist die Gefahr auch nicht so groß, enttäuscht zu werden, wenn der Ball nicht zurückgespielt wird.
    Interessanterweise sind Menschen, die viel teilen, nicht nur sehr beliebt und finden meistens Unterstützung, wenn sie selbst einmal Hilfe brauchen – in der Regel sind sie auch zufriedener |23| und erfüllter als solche, die alles angstvoll horten und für sich behalten.
    Übrigens muss es keineswegs immer etwas Großes und Bedeutendes sein: Auch ein geteiltes Lächeln bewirkt eine gegenseitige Bereicherung.

    Fragen zum Nachdenken
Was ist der »Samen«, den ich teilen könnte?
Was hindert mich, mehr davon zu geben?
Welche praktischen Möglichkeiten könnte es geben, im Sinne einer »Win-win-Lösung« Synergien durch Teilen zu schaffen?

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|25| Der abgeschirmte Mensch
    Technik erleichtert in vielen Bereichen unser Leben, sei es in der Kommunikation, in Produktionsprozessen oder zum Beispiel auch in der Medizin. Aber so, wie bei technischen Geräten viele Kabel zum Schutz vor störenden Strahlungen abgeschirmt werden, so schirmt die Technik auch uns oft von der ursprünglichen, natürlichen Welt ab. Kein Problem der Neuzeit im Übrigen, wie die folgende Erzählung zeigt:
    Im Orient wollte einst ein König seinen Untertanen eine Freude bereiten und brachte ihnen, die keine Uhr kannten, von einer Reise eine Sonnenuhr mit.
    Sein Geschenk veränderte das Leben der Menschen im Reich. Sie begannen, die Tageszeiten zu unterscheiden und ihre Zeit einzuteilen. Sie wurden pünktlicher, ordentlicher, zuverlässiger und fleißiger und brachten es zu großem Reichtum und Wohlstand.
    Als der König starb, überlegten sich die Untertanen, wie sie die Verdienste des Verstorbenen würdigen könnten. Und weil die Sonnenuhr das Symbol für die Gnade des Königs und die Ursache des Erfolges der Bürger war, beschlossen sie, um die Sonnenuhr einen prachtvollen Tempel mit goldenem Kuppeldach zu bauen.
    Doch als der Tempel vollendet war und sich die Kuppel über der Sonnenuhr wölbte, erreichten die Sonnenstrahlen die Uhr nicht mehr. Der Schatten, der den Bürgern die Zeit gezeigt hatte, war verschwunden, da die Sonnenuhr, |26| der gemeinsame Orientierungspunkt, nun verdeckt war. Der eine Bürger vergaß seine Pünktlichkeit, der andere seine Zuverlässigkeit, der dritte war nicht mehr fleißig.
    Jeder ging seiner Wege, und das Königreich zerfiel wieder .
    Auch unsere innere Sonnenuhr, das, was uns Orientierung im Leben gibt, ist oft abgeschirmt von den Sonnenstrahlen, von der Unmittelbarkeit des Lebens . So, wie sich in der Erzählung das goldene Kuppeldach über die Sonnenuhr wölbt, so schaffen wir uns eine in vielen Bereichen künstliche Welt, die uns den unmittelbaren Kontakt zur Natur mehr und mehr verlieren lässt.
Aus klimatisierten Gebäuden und Verkehrsmitteln blicken wir durch Fenster, die häufig gar nicht mehr zu öffnen sind.
Das Leben und Geschehen auf der Welt rückt zwar näher, doch erreicht es uns oft nur noch mittelbar über die Bildschirme unserer Fernseher und Computer.
Begegnungen finden häufig nicht mehr real, sondern virtuell statt: in Chat-Rooms und Internet-Datings. Und so mancher körperlich-sinnliche Kontakt hat im Wettbewerb mit den leicht verfügbaren und unverbindlichen Online-Sex-Angeboten verloren.
Handgeschriebene Briefe sind zur Rarität geworden: E-Mails und SMS einschließlich boomender Abkürzungen haben sie ersetzt.
Fast Food, Fertiggerichte und Konserven haben Selbstkochen und gemeinsamen Mahlzeiten in der Familie den Rang abgelaufen.
    All dies sind Elemente unseres goldenen Kuppeldachs, das uns mit seinen künstlichen Surrogaten abschirmt von der Unmittelbarkeit des Lebens: im Kontakt mit Menschen und der Natur, bei unseren Tätigkeiten, in der Ernährung und vielem sonstigen |27| Erleben. Ohne das Sonnenlicht der Unmittelbarkeit der Lebenselemente kann auch unsere Sonnenuhr, unser inneres Orientierungsorgan nicht mehr richtig funktionieren. Und mit der Orientierung verlieren wir uns selbst. »Das Königreich zerfiel wieder«, das heißt, es verliert seine Mitte. So auch wir: Je mehr auch wir unsere Mitte verlieren, desto zerrissener fühlen wir uns, ohne dass wir in der uns umgebenden Ersatzwelt Halt und Orientierung finden können.
    Was tun? Schon vor über zweihundert Jahren folgten viele dem Jean-Jacques Rousseau zugeschriebenen Aufruf »Zurück zur Natur«, landeten damit allerdings wieder in einem anderen Extrem. Es geht nicht darum,
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