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Auszeit

Auszeit

Titel: Auszeit
Autoren: Marco von Münchhausen
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»Was für einen Sinn siehst du in deinem Leben der Stille?« – Der Mönch war eben beschäftigt mit dem Schöpfen von Wasser aus einer Zisterne. Er sprach zu seinen Besuchern: »Schaut in die Zisterne, was seht ihr?« – Die Leute blickten in die tiefe Zisterne. »Wir sehen nichts«, meinten sie. – Als einige Zeit vergangen war, forderte der Einsiedler die Leute wieder auf: »Schaut in die Zisterne. Was seht ihr?« – »Jetzt sehen wir uns selbst.« – Der Einsiedler sprach: »Schaut, als ich vorhin Wasser schöpfte, war das Wasser unruhig. Jetzt ist das Wasser ruhig. Das ist die Erfahrung der Stille: Man sieht sich selbst.«
    In der Tat: Je geschäftiger und hektischer unser Alltagsleben ist, desto wichtiger werden Zeiten, in denen wir allein sein können, um innerlich wieder aufzuatmen und aufzutanken. Zeiten, ganz und ausschließlich für uns allein, ohne dass wir irgendetwas Bestimmtes tun müssen. Zeiten des »Seins«, nicht des »Tuns«, in denen wir die Stille nur als Angebot und Möglichkeit erleben – nicht als Pflicht. Wir müssen uns wieder »Zeitinseln der Stille« erobern, Orte der Stille erkunden und experimentieren, wie wir Stille am besten aushalten können und mit ihr vertraut werden, um uns in ihr wieder selbst begegnen zu können. Am besten wir arrangieren wiederholt ein »Rendezvous mit uns selbst«, dann sind wir verabredet, mit der Stille und uns!

    Fragen zum Nachdenken
Habe ich genügend Zeit für mich allein?
Was hindert mich daran, mehr Zeit für mich allein zu haben?
|19| Wie geht es mir in der Stille? Fällt es mir schwer, allein Stille auszuhalten?
Auf welche Weise könnte ich Zeitinseln der Stille und des Alleinseins so in meinen Alltag integrieren, dass ich mich wohl damit fühle?

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|21| Teilen
    Edel, aber auch etwas weltfremd wirkt auf viele die Geschichte vom Heiligen Martin, der seinen Mantel teilte, um einem Erfrierenden zu helfen. Zu teilen, was wir haben, und davon abzugeben, hat heute einen anderen Stellenwert als vor etlichen Jahrzehnten, in denen im westlichen Kulturkreis die Werte des Christentums nahezu unhinterfragt galten. Warum teilen, wenn nicht mehr gesichert ist, mir damit meine Eintrittskarte ins Paradies zu reservieren? In manchen Situationen mag es ja noch sinnvoll sein, Hilfsbedürftigen etwas vom eigenen Überfluss abzugeben, wie 2004 das große Engagement für die Opfer der Tsunamikatastrophe gezeigt hat, aber darüber hinaus? Mit wirtschaftlich ähnlich situierten Menschen oder sogar mit Konkurrenten zu teilen – ein solcher Rat mag wohl eher befremden als einleuchten. Und doch:
    Ein Farmer, dessen Mais auf der staatlichen Landwirtschaftsmesse immer den ersten Preis gewann, hatte die Angewohnheit, seinen besten Samen mit allen Farmern der Nachbarschaft zu teilen.
    Als man ihn fragte, warum er das täte, sagte er: »Eigentlich liegt es in meinem ureigensten Interesse. Der Wind trägt die Pollen von einem Feld zum anderen. Wenn also meine Nachbarn minderwertigen Mais züchten, vermindert die Kreuzbestäubung auch die Qualität meines |22| Kornes. Darum liegt mir daran, dass sie nur den allerbesten anpflanzen.«
    Zu teilen kann also aus verschiedenen Gründen sinnvoll sein:
Aus moralisch-sittlichen Motiven, vor allem religiösen Ursprungs.
Weil das Engagement für andere als solches einen selbst seelisch bereichert – gewissermaßen der instant return on investment . Insofern braucht es auch keine spätere Belohnung für unsere guten Taten, denn wir werden innerlich im Augenblick des Teilens durch unsere gute Tat belohnt. Es gibt unserem Leben einen tieferen Sinn.
Schließlich, weil wir auch einen realen Nutzen davon haben können, wie in der Geschichte des geteilten Samens.
    Auch im Wirtschaftsleben kann es unter diesem Aspekt sinnvoll sein, mit Geschäftsleuten, Nachbarn, ja sogar Mitbewerbern zu teilen. Der »beste Samen« könnte stehen für das eigene Knowhow, Beziehungen, Vertriebswege und Kunden. In manchen Fällen kann es für beide Seiten von Nutzen sein, sich auszutauschen und Bälle zuzuspielen, ohne dass jemand dabei etwas verliert. Habe ich beispielsweise bei einer Firma einen Vortrag auf einer Jahresversammlung gehalten und weiß, dass dort üblicherweise jedes Jahr ein neuer Redner eingeladen wird, so kann ich ohne Schaden einen guten Trainerkollegen empfehlen oder ihm die nötigen Informationen weitergeben. Es ist nicht ganz unwahrscheinlich, dass er sich umgekehrt auch einmal ähnlich verhalten wird. – Und wenn es
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