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Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)

Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)

Titel: Träume der Dunkelheit: Erzählungen (German Edition)
Autoren: Christine Feehan
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Prolog
    D ie Nacht war schwarz. Mond und Sterne schienen wie ausgelöscht von unheilvollen dunklen Wolken, die sich am Himmel zusammenballten. Dünne schwarze Fetzen, die an glänzenden Obsidian erinnerten, tanzten und wirbelten wie wutentbrannt herum, obwohl sich kein Lüftchen regte. Kleine Tiere kauerten in ihren Schlupfwinkeln unter Felsen und umgestürzten Bäumen, weil sie die unheimliche Stimmung draußen spüren konnten.
    Gespenstische Nebelschwaden waberten aus dem Wald heraus, lange, breite Bänder aus schimmerndem Weiß oder glitzernden opaken Farben, die sich um die Stämme wanden, sodass die Bäume aus dem Nebel aufragten, als wären sie losgelöst von den Wurzeln, die sie auf der Erde festhielten. Über den dunklen Himmel und zwischen den Baumkronen hindurch flog eine große Eule und umkreiste das imposante, in die hohen Klippen eingebaute Haus. Eine zweite und noch eine dritte Eule erschienen und zogen dann ebenso still und ruhig wie die erste ihre Kreise über dem Blätterdach und dem weitläufigen Haus. Ein einzelner, ziemlich großer Wolf mit zotteligem schwarzem Fell und glitzernden Augen sprang aus den Bäumen auf die Lichtung.
    Aus der Dunkelheit auf dem Balkon des in den Fels gebauten Hauses löste sich eine Gestalt, trat an das Geländer und blickte in die Nacht hinaus. Dann breitete der Mann in einer einladenden Geste die Arme aus, und sofort kam eine sanfte, angenehme Brise auf. Die Insekten nahmen ihren nächtlichen Gesang wieder auf, Zweige schwankten und tanzten in der leichten Brise. Der Nebel verdichtete sich flimmernd und formte nach und nach viele Gestalten in der unheimlichen Nacht. Die Eulen kamen herangeflogen, um zu landen, eine auf dem Boden, zwei auf dem Balkongeländer, und wechselten ihre Gestalt. Ihre Federn verschmolzen zu Haut, die Flügel verlängerten sich zu Armen. Der Wolf verwandelte sich schon im Sprung auf die Veranda, sodass ein großer, kräftiger Mann dort landete.
    »Willkommen.« Die Stimme war schön und melodiös wie die Waffe eines Zauberers. Vladimir Dubrinsky, Prinz des karpatianischen Volkes, verfolgte bekümmert, wie seine treuen Anhänger Gestalt annahmen und sich aus Nebel, Raubvögeln und Wölfen in starke, gut aussehende Krieger verwandelten. Alle waren Kämpfer, loyale, aufrichtige, selbstlose Männer. Sie waren seine Freiwilligen, die Männer, die er in den Tod schickte oder zu Jahrhunderten unerträglicher Einsamkeit und nie nachlassender Trostlosigkeit verurteilte. Sie würden ihr langes Leben ertragen, bis das Ende ihres Durchhaltevermögens erreicht war. Sie würden weit entfernt sein von zu Hause, von ihren Angehörigen und der heilkräftigen, verjüngenden Erde ihres Heimatlandes. In den kommenden Jahrhunderten würden sie keine Hoffnung kennen und keine andere Hilfe als ihre Ehre haben.
    Vladimir wurde das Herz so schwer, dass er glaubte, es müsse jeden Augenblick zerspringen. Aber dann durchflutete Wärme seinen durchgefrorenen Körper, und er spürte sie in seinem Geist. Sarantha, seine Seelengefährtin. Natürlich ließ sie ihn nicht allein in diesem Moment, in seiner dunkelsten Stunde, in der er diese jungen Männer zu ihrem horrenden Schicksal entsenden würde.
    Still und mit ernsten Gesichtern versammelten sie sich um ihn. Es waren gute Gesichter, sinnlich, stark und attraktiv, und alle hatten die unerschrockenen, gelassenen Augen selbstbewusster Männer, die sich in Hunderten von Kämpfen bewährt hatten. So viele seiner besten Männer! Ein pochender, tiefer und gnadenloser Schmerz erwachte in Vladimirs Körper und brannte in seinem Herzen und in seiner Seele. Diese Männer verdienten weitaus mehr als das miserable Leben, zu dem er sie verdammen musste. Tief atmete Vlad ein und ließ die Luft dann langsam wieder entweichen. Durch die ebenso großartige wie qualvolle Gabe der Vorausahnung, die er besaß, sah er die verzweifelte Lage seines Volkes und hatte daher keine andere Wahl. Er konnte nur auf Gottes Barmherzigkeit vertrauen, da er sich selbst kein Mitgefühl erlauben durfte.
    »Ich danke euch allen. Ihr, die Hüter unseres Volkes, seid nicht hierher befohlen worden, sondern aus freiem Willen gekommen. Jeder von euch hat sich dazu entschieden, seine Chance auf ein Leben aufzugeben, um für die Sicherheit unseres Volkes und anderer Spezies auf der Welt zu sorgen. Ihr beschämt mich mit eurer Großzügigkeit, und ich fühle mich geehrt, euch meine Brüder und Verwandten nennen zu dürfen.«
    Absolute Stille herrschte. Der Kummer des
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