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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen
Autoren: Katrin Koppold
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und Fernsehwelt, prall gefüllt mit Premierenfeiern, Preisverleihungen und Charityveranstaltungen. Es war richtig gewesen, ihn in Lucca stehen zu lassen, denn ich würde in dieser Welt niemals bestehen können, es auch überhaupt nicht wollen.
    Plötzlich merkte ich, wie die von Fee so eng geschnürte Korsage meines Kleides mir die Luft zum Atmen nahm, und ich wollte nur noch eins – raus aus diesem Raum und weg von Nils, seiner Mutter und all den anderen ach so wichtigen Menschen in diesem Saal. Hilfesuchend sah ich mich nach Fee um, doch ich konnte sie in dem Meer von Kameras nicht ausmachen.
    Noch einmal ließ ich meinen Blick auf Nils’ Profil ruhen, versuchte mir jedes Detail von ihm einzuprägen, um es fest in Erinnerung zu behalten, seine unzähligen Bartstoppeln ebenso wie die Narbe unter seiner linken Augenbraue und die winzigen Sommersprossen auf der Nase, und wollte mich gerade abwenden, als Nils den Kopf drehte und mich ansah. Seine Augen weiteten sich und sein Arm, den er um seine Begleiterin gelegt hatte, glitt von ihren Schultern. Ich weiß nicht, wie lange wir da standen und uns über die Köpfe der Menschen hinweg anblickten. Mir kam es vor wie Minuten, aber es konnten wohl nur einige Sekunden gewesen sein.
    Jemand berührte mich am Arm. Ich drehte mich um. Vor mir stand einer der hünenhaften Saalordner, die ich schon bei unserem Eintreten bemerkt hatte: „Alle Presseleute müssen umgehend den Saal verlassen!“
    Ich nickte mechanisch und schaute noch einmal kurz zu Nils.
    Der machte eine schnelle Bewegung nach vorn, als wolle er auf mich zu kommen. Und ich wich zurück. Nein! Ich wollte nicht mit ihm reden. Es war zu spät! Ich drehte mich um und quetschte mich, so schnell es meine hohen Stöckelschuhe und das Menschenmeer um mich herum erlaubten, durch die Menge. Eine hoch gewachsene rothaarige Schönheit funkelte mich wütend an, als ich ihr auf meiner Flucht auf den Fuß trat, ein rundlicher Mann mit Glatze verschüttete wegen mir ein wenig von seinem Champagner, doch ich brachte noch nicht einmal eine Entschuldigung heraus.
    Als ich mich kurz vor dem Pressezimmer noch einmal umdrehte, konnte ich Nils nirgendwo entdecken. Wahrscheinlich hatte ich ihn abgehängt, aber vielleicht war er mir auch überhaupt nicht gefolgt. Und nachdem ich unter einem Berg von Kleidungsstücken meinen Mantel gefunden hatte, begab mich langsam zum Ausgang.

    Als ich das Hotel verließ, war es draußen kalt und klar und über mir leuchteten die Sterne. Tief sog ich die metallisch riechende Winterluft ein und atmete kleine Rauchwölkchen in den Himmel aus. Ich beschloss, ein Stück zu Fuß zu gehen, um wieder einen klaren Kopf zu bekommen, bevor ich mir für die letzten Kilometer zu meiner Wohnung ein Taxi rief.
    Auf einmal hörte ich schnelle Schritte hinter mir.
    „Helga. Warte!“
    Ich drehte mich um. Nils kam auf mich zugelaufen. Einige Meter vor mir blieb er stehen. Er atmete schwer.
    „Du bist es wirklich. Was machst du hier?“, stieß er aus. Er streckte seine Hände in die Taschen seiner Anzughose und sah mich an.
    „Ich bin mit meiner Schwester hier. Sie muss arbeiten und hat mich gebeten, sie zu begleiten“, meinte ich steif und zog meinen Mantel noch fester um mich.
    „Ich war mir zuerst nicht sicher, ob … Du hast eine andere Frisur.“ Nils kam auf mich zu. „Schön, dich wiederzusehen.“
    Ich bohrte mit meinem rechten Absatz auf dem Asphalt herum.
    „Hast du noch Zeit?“, fragte er.
    Ich nickte und überlegte verzweifelt, was ich Intelligentes sagen könnte, um der Situation etwas von ihrer Beklommenheit zu nehmen. Aber mir fiel nichts ein.
    „Ist ganz schön lange her, dass wir uns das letzte Mal gesehen haben.“
    „Ja.“
    „Und was hast du die letzten Monate gemacht? Immer noch in der politischen Erwachsenenbildung tätig?“
    Ich nickte erneut. „Und du? Immer noch Schauspieler?“
    „Ich scheine den Absprung nicht zu schaffen.“
    „Welche aufregende Rolle spielst du denn zur Zeit?“
    „Frag’ besser nicht!“
    „Warum nicht?“
    „Dr. Wohlschläger ist zurückgekehrt. Zumindest für 20 Folgen.“
    „Und diese Rolle hast du freiwillig angenommen?“
    „Ja.“ Er grinste. „Von irgendetwas muss der Porsche ja bezahlt werden“, sagte er und spielte damit auf unser Gespräch am Gardasee an.
    Ich musste wider Willen lachen und fühlte, dass ich mich etwas zu entspannen begann. „Lydia wird begeistert sein.“
    „Wahrscheinlich. Die Dreharbeiten haben vor vier Wochen
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