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Aussicht auf Sternschnuppen

Aussicht auf Sternschnuppen

Titel: Aussicht auf Sternschnuppen
Autoren: Katrin Koppold
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zur Not mit Gewalt. Sie wird schließlich dafür bezahlt.“ Dann hörte ich sie wieder lauter: „So, jetzt bin ich für dich da?“
    Die Gesprächsfetzen lenkten mich kurzfristig von meinem Problem ab und ich hakte nach.
    „Wer soll wem mit Gewalt den Mund öffnen?“
    Fee seufzte. „Ich stehe gerade am Karlsplatz und drehe ein Porträt mit einer Kandidatin von Germanys Next Topmodel . Mit der, die das McDonald’s-Casting gewonnen hat. Und nun weigert sich die blöde Nuss, einen Burger zu essen. Sie kann das Fleisch angeblich nicht einmal mit dem Mund berühren, weil sie Vegetarierin ist. Und als ich ihr vorgeschlagen habe, lediglich in das Brötchen zu beißen, meinte sie, das gehe auch nicht, weil sie keine Kohlehydrate essen dürfe. Ich hätte ein Leben zu tauschen!“
    Das war das Stichwort. Aber ich musste mich kurz fassen. Fee hasste Menschen, die nicht zum Punkt kamen.
    „Super! Möchtest du vielleicht meins?“, bot ich ihr an. „Ich habe gerade in Giuseppes Handy eine SMS gefunden. Eine gewisse Angela kann es kaum erwarten, ihn wiederzusehen, und in einer Stunde macht er sich auf den Weg zum Flughafen. Mir hat er erzählt, dass er auf Geschäftsreise in die Toskana muss.“ Also wenn das nicht kurz war!
    „Gib mir dreißig Minuten!“ Fee legte auf.

    Meine Schwester war in zwanzig Minuten bei mir. Gut, ich wohne mit dem Auto nur fünf Minuten vom Karlsplatz weg. Trotzdem war es mir schleierhaft, wie sie es so schnell geschafft hatte, ein widerspenstiges Model zum Verzehr eines Burgers zu überreden, den Dreh zu beenden und dann auch noch vor meiner Wohnung einen Parkplatz zu finden. Aber sie war schon immer die Energischere von uns beiden gewesen.
    Fee arbeitete als Redakteurin bei dem Boulevardmagazin trend . Sie jettete um die Welt und interviewte Schöne, Reiche und Leute, die unbedingt ins Fernsehen wollten. Männer wurden bei ihr, abgesehen von unserem Vater und Opa Wolfgang, kategorisch in Hotties und Langweiler eingeteilt. Und so hatte sie aus ihrer Verwunderung noch nie einen Hehl gemacht, dass ich mich nach Arschloch-Olli (Typ heißes Otto-Katalog-Model ) ausgerechnet in Giuseppe (Typ langweiliger Aktentaschenträger ) verliebt hatte.
    „Das kann nicht sein“, wisperte sie, als sie mit mir zusammen bei einer Tasse Kaffee auf meinem kleinen Balkon saß, während Giuseppe sich im Schlafzimmer anzog. „Für die SMS muss es eine ganz harmlose Erklärung geben. Giuseppe fährt einen gelben Van, er trägt im Bett Schlafanzüge und er geht zur Wirbelsäulengymnastik. Und hattest du nicht erwähnt, dass er darüber nachdenkt, Reitstunden zu nehmen? Tief im Innern seines Herzens ist er bestimmt schwul.“
    „Du spinnst doch. Er ist nicht schwul. Er ist nur sensibel und …“, ich überlegte einen kleinen Moment, „… vielseitig interessiert.“
    „Sag ich doch. Schwul. Oder zumindest ein ziemliches Weichei.“ Sie sah mich eindringlich an. „Helga, Giuseppe hat letztens einen Strafzettel bekommen, weil er auf der Autobahn zu langsam gefahren ist. Wenn er eine Weinflasche öffnet, bin ich fast verdurstet, bis der Korken endlich raus ist. Ich kann es nur wiederholen: Er trägt im Bett Schlafanzüge!“ Sie schlug sich mit der flachen Hand auf die Stirn. „Wie zum Teufel soll es so jemand schaffen, zwei Frauen auf einmal zu befriedigen?“
    „Na ja, mit dir will er ja schon seit einiger Zeit nicht mehr schlafen“, flüsterte eine böse, kleine Stimme in meinem Kopf, die ich aber sofort energisch in ihre Schranken verwies.
    „Und wer soll ihm sonst eine solche SMS schreiben, wenn nicht eine Geliebte?“, fragte ich lahm. „Caro, non vedo l’ora di rivederti. Angela – ich kann es kaum erwarten dich wiederzusehen.“
    „Vielleicht ist diese Angela eine italienische Geschäftspartnerin.“
    „Eine Geschäftspartnerin würde so etwas nie schreiben.“
    „Warum nicht? Du kennst doch diese Italiener. Die sind halt manchmal ein wenig überschwänglich.“
    „Giuseppe nicht.“
    Fee rollte die Augen gen Himmel. „Nein, Giuseppe nicht.“
    In diesem Moment betrat der Stein des Anstoßes den Balkon. Trotz des warmen Aprilwetters trug Giuseppe eine schwarze Hose und ein langärmliges hellblaues Hemd mit Jackett und dazu passender Krawatte. Seine lockigen, dunklen Haare lagen nass an seinem Kopf. Misstrauisch beäugte ich ihn. Wirkte er anders als sonst? Schuldbewusster?
    „Ich muss gleich los, Cara. Das Taxi wird jeden Moment da sein.“ Er strich mir kurz über den Kopf und wandte sich
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