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Auslegware

Auslegware

Titel: Auslegware
Autoren: Ashan Delon
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den Mann gebracht zu werden.
    Ich blieb im Korridor zwischen den raumhohen Teppichpaternostern stehen, die zu beiden Seiten, dicke Rollen Auslegware beinhalteten und betrachtete sie gedankenverloren. So unscheinbar und nichtssagend, wie sie als kompakt gerollte Meterware aussahen, konnte man kaum glauben, dass sie den Flair und den Eindruck eines ganzen Raumes, eines ganzen Hauses beeinflussen konnten. War das mit mir auch so?
    Wenn ich flach auf dem Rücken lag, wirkte ich da angenehmer als aufrecht?
    Mit einem Lachen trennte ich mich von diesem Gedanken. Auch wenn ich mich oft mit der Ware verglich, die ich zu verkaufen hatte, so hatte ich doch nichts mit ihr gemein. Ich ließ mich ganz bestimmt nicht in ein handliches Format zusammenrollen und irgendwo hinbringen, um ein Heim zu verschönern.
     
     

2. auswählen
     
    Ich hatte den kleinen Kerl, mit dem Andrea geflirtet hatte, erfolgreich vergessen, als er ein paar Tage später eines Nachmittags in meiner Abteilung stand. Erst blieb ich wie angewurzelt stehen und konnte ihn nur anstarren. Ich überlegte auch, einfach hinter einem der Paternoster zu verschwinden und so zu tun, als sei ich nicht vorhanden. Doch als er seinen Kopf drehte und mich anlächelte, musste ich meine Flucht schlagartig aufgeben. Ich hätte vielleicht noch eine Ausrede benutzen können, ihm erklären, dass ich gar nicht hierfür zuständig war, Feierabend hatte oder einen anderen Kunden bedienen musste, doch das erschien mir als falsch. Ein Hasenfuß war ich sicherlich nicht und was hatte mir der Kunde schon getan, außer mit Andrea so zu flirten, dass mein Herz zu bluten begonnen hatte.
    „Hätten Sie kurz Zeit?“, wandte er sich an mich und lächelte mich so hinreißend an, dass ich einfach nicht ablehnen konnte. Er bewegte sich graziös wie ein Tänzer auf mich zu, wippte mit seinen Hüften bei jedem Schritt sichtbar. Vielleicht wirkte das auch nur in meinen Augen. Ich sah ihn schon wie in einem Kitschfilm auf mich zuspringen, wie eine kleine Gazelle.
    Hastig schüttelte ich den Kopf und setzte ein nüchternes Lächeln auf.
    „Was kann ich für Sie tun?“, erkundigte ich mich geschäftsmäßig. Kunde , sagte ich mir im Stillen. Nur ein Kunde. Verdammt, halt deinen Kopf zurück und konzentriere dich darauf, seine Adresse für die Lieferung herauszufinden – und vielleicht für mehr.  
    „Ich brauch einen neuen Teppichboden“, erklärte er. Seine Stimme war weich und für einen Mann eine Oktave zu hoch. Dennoch gefiel sie mir. Sie löste in mir helle Aufruhr aus und ließ mein komplettes Inneres rotieren. Mein Herz schien mit meinem Magen, meiner Leber und meiner Blase einen fröhlichen Reigen zu tanzen.
    „Haben Sie schon eine Vorstellung?“ Ich räusperte mich, als meine Stimme zu versagen drohte. „Welche Farbe, Schlingendicke oder Material es sein soll?“
    Er wackelte leicht mit dem Kopf, schien sich darüber noch keine Gedanken gemacht zu haben. Hilflos blickte er zum Paternoster hoch und betrachtete die dicken Rollen.
    Ich zog einfach am nächstbesten Teppich und ließ ihn einen knappen Meter ausrollen. „Etwas in dieser Art?“, schlug ich vor. Zu meinem Entsetzen hatte ich geradewegs den hässlichsten aus der ganzen Auswahl erwischt, einen grauantrazit melierten Filzteppich, einen ausgesprochenen Ladenhüter, den keiner mochte.
    Der Kunde sah mich etwas verwirrt an. Seine gezupften Augenbrauen hoben sich an, als er zwischen dem Teppich und mir hin und her sah. Schließlich schüttelte er den Kopf.
    „Etwas mit mehr Farbe und pflegeleicht“, erklärte er. „Und dicker soll er sein. Ich mag es weicher unter meinen Füßen. Ich laufe gerne barfuß in meiner Wohnung herum.“
    Mir wurde heiß bei dem Gedanken, ihn mir barfuß bis zum Scheitel vorzustellen, wie er auf dem Teppich herumstolzierte oder tänzelte, dem ich ihm verkauft hatte. Nur dumm, dass ich das niemals live würde sehen können.
    „Der Trend bei unseren Kunden geht eher zum Laminat“, erklärte ich wissend. „Der ist pflegeleichter und leicht zu installieren.“
    „Nein“, wies der Mann sogleich ab. „Kein Laminat. Ich will einen Teppich.“ Dabei sah er mich mit einem Blick an, den ich nicht zu deuten wusste. Wollte er mich dafür bestrafen, dass ich ihm einen anderen Vorschlag gemacht hatte, oder wollte er mir etwas damit sagen?
    Meine männlichen Kunden bevorzugten in der Tat allerdings Laminat, da man sie leichter reinigen konnte. Ich selbst hatte meine gesamte Wohnung mit diesen Holzplatten
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