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Auslegware

Auslegware

Titel: Auslegware
Autoren: Ashan Delon
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fluchte er leise. „Wenn ich nicht schon ein paar der Wände rot gestrichen hätte …“ Er sah hoch und blickte mich beinahe hilflos an.
    Ich musste fast lachen, kniff die Lippen zusammen und drehte den Kopf zur Seite.
    „Kommt darauf an, in was für einem Rot“, presste ich mühsam hervor und stellte mir ein knallrotes Wohnzimmer vor, eine Sündenhöhle, mit plüschigen Kissen und Räucherstäbchen.
    „Tja“, machte der Mann kläglich und streichelte beinahe liebevoll über den Teppich. „Echt ein schönes Teil“, schwärmte er. „Fühlt sich gut an.“ Er grub seine Finger in die Schlingen und schien das Gefühl regelrecht zu genießen.
    Ich schloss die Augen, als sich vor meinem geistigen Auge ein anderes Bild formierte. Seine Hand in meinem Haar, wie er die Strähnen genauso genussvoll zwischen die Finger nahm, wie die Schlingen des Teppichs, und die Kopfhaut sanft massierte. Ich musste die Lippen noch fester zusammenbeißen, um nicht aufzustöhnen.
    „Ich nehme ihn“, entschied der Mann zu meiner Überraschung und strahlte mich an, als hätte er eben einen Weltrekord errungen.
    Ich war der Letzte, der einen Kunden davon abbrachte, einen Kauf zu tätigen. Ich war dazu da, dem Kunden die Auswahl zu unterbreiten, ihm beim Kauf behilflich zu sein, seine Fragen zu beantworten und anschließend die Ware abzumessen und dem neuen Besitzer zu überreichen. Es gab schon einige Leute, bei denen ich die Zähne zusammenbeißen und sie einfach machen lassen musste, sogar ein paar, denen ich es ausredete. Aber bei keinem überkam mich so ein mieses Gefühl wie bei diesem.
    Okay, der Teppich war wirklich ein schönes Teil. Er schimmerte im Licht und fühlte sich sehr weich an. Ich persönlich stand zwar eher auf die Laminatvariante, aber wenn ich mich für einen Teppich hätte entscheiden müssen, dann für einen ähnlichen in einer anderen Farbe. Dieses Rot war sehr penetrant, würde den Raum dominieren und ein äußerst ausgeklügeltes System an Farben und Einrichtungsgegenständen erfordern. Zudem war er so dick, dass man kaum hohe Schränke drauf platzieren konnte.
    „Sind Sie sich sicher?“, erkundigte ich mich vorsichtshalber. Wenn die Auslegware erst einmal abgeschnitten war, konnte sie nicht mehr zurückgegeben werden. Bei fünfundfünfzig Quadratmetern würde sehr viel Geld sinnlos verbraten werden, wenn es sich als ein Fehlkauf herausstellte.
    „Ja“, blieb der Mann bei seiner Entscheidung. „Ich vertraue da Ihrem Vorschlag.“
    Mein Herz blieb stehen. Am Ende war noch ich schuld, weil ich ihm das falsche Teil aufgeschwätzt hatte. „Es muss Ihnen gefallen. Ich kann Ihnen gerne noch andere Ware zeigen …“
    „Nein, ich will den.“ Er fuhr abermals mit der Hand über den Teppich. Seine Augen begannen zu glitzern. Offensichtlich hatte er sich in den dunkelroten Bodenbelag vollkommen verliebt.
    Viel zu schnell gab ich mich geschlagen. Meiner Ehre als Verkäufer für Auslegware hätte es gebührt, wenn ich ihm noch ein paar andere Sachen gezeigt hätte, auch gegen seinen Willen, doch ich gab nach und rollte ihm die erforderlichen Meter von der Rolle herunter, zuzüglich Verschnitt. Als ich ihm den Auftragszettel in die Hand drückte, erinnerte ich ihn auch noch an Klebeband, Cuttermesser, Abschlussschienen, Eckleisten und was man noch so brauchte, um einen Teppich verlegen zu können. Mit dem schweren Wagen, auf dem zwei dicke schwere Rollen lagen, entschwand er Richtung Kasse.
    Ich blickte ihm hinterher, war mir bewusst, den Fehler meines Lebens begangen zu haben. Welchen, war mir selbst noch nicht klar. Entweder, weil ich ihm den falschen Teppich verkauft, ihn nicht genügend beraten und aufgeklärt hatte, oder weil ich die Chance hatte davonziehen lassen, mich näher mit ihm bekannt zu machen. Seine Stimme und die Art zu sprechen hatte mir eine Hitzewallung nach der anderen verschafft. Meine Knie zitterten, als wäre ich viele Kilometer Treppenauf- und abwärts gelaufen. Ich war schweißnass. Salzige Tropfen rannen über meine Lippen. Ich leckte sie ab und verzog das Gesicht.
    Mist. Selten war ich so unsicher, was eine potenzielle Beute betraf. War er nun homo oder nicht? Er hatte mit mir nicht so heftig geflirtet wie mit Andrea. Unser Gespräch war rein geschäftlich verlaufen, ohne Anzüglichkeiten, Zweideutigkeiten oder sonstigen Sprüchen, die man sich eben so sagte, wenn man sich näher kennenlernen wollte. Da war nichts gewesen. Rein gar nichts.
    Somit stand für mich klar.
    Der war nichts
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