Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
Vom Netzwerk:
harte Hufe, mit denen es ausschlägt, wenn es sich über etwas ärgert. Nur ich darf es berühren, sonst niemand, es ist noch ganz ungebärdig. Also sei vorsichtig.«
    »Das verspreche ich dir. Wie hütet man Rentiere eigentlich?«
    »Sie leben frei in den Wäldern, fressen Flechten, die sie unter dem Schnee hervorscharren, oder Bartflechte von den Fichtenzweigen. Einige Male im Jahr versammeln sie sich alle an einem Ort, und dann können die Rentierzüchter ihre eigenen Tiere zählen und markieren. Jedes Ren wird an seinen Ohren mit dem Zeichen seines Besitzers versehen. Aber mein Zauber-Ren läuft immer für sich allein, und seine Ohren rühre ich nicht an.«
    »Und die Rentierkühe? Das Zauber-Ren hast du von Staalos Berg geholt, aber woher sind die Kühe?«
    »Sie waren in der Nähe von Staalos Berg. Das Zauber-Ren hatte sie wohl schon vorher für sich gewonnen, denn sie sind uns eifrig gefolgt, als wir vor dem Staalo flohen. Eigentlich kein Wunder, denn alle drei tragen ein Kalb vom Zauber-Ren.«
    »Dann werden also bald drei Rentierkälber geboren.«
    »Im Frühjahr ist es so weit. Bis dahin ruhen die Rentierkühe sich dort drüben im Wald aus. Ich bringe ihnen immer Flechten zum Fressen, damit es ihnen gut geht. Möchtest du sie dir ansehen?«
    Natürlich wollte der Weihnachtsmann. Sie aßen rasch ein Stück Brot, zogen sich warm an und stapften in das Wäldchen. In einer Einfriedung standen drei trächtige Rentierkühe, die gemächlich Flechten kauten. Sie waren rund und schläfrig, warfen dem Weihnachtsmann einen Blick zu und widmeten sich dann wieder ihrem Futter. Das Rentier des Staalo war nirgends zu sehen.
    »Wo ist das Zauber-Ren?«, fragte der Weihnachtsmann verwundert.
    Da toste es plötzlich im Wald. Schnee wirbelte auf und Zweige brachen, als ein gewaltiger Rentierbock mit goldenem Geweih zwischen den Bäumen hervorstürmte. Seine Hufe schienen Funken zu schlagen, und sein riesiges Geweih zersplitterte jeden Ast, der ihm im Weg war. Mit einem prächtigen Satz sprang er zu seinen Kühen in die Einfriedung und auf der anderen Seite gleich wieder hinaus. Mit gestrecktem Hals und leuchtendem Geweih blieb er stehen und schüttelte heftig den Kopf. Er stampfte mit den Hufen, nahm Anlauf und sprang geradewegs auf die beiden Männer zu.
    »Pass auf!«, rief Sampo und suchte hinter einem Kiefernstamm Schutz.
    Der Weihnachtsmann blieb reglos stehen. Was für ein gewaltiges Rentier! Wie hinreißend das silbrige Fell schimmerte und das Sonnenlicht auf den goldenen Hörnern funkelte! Und die wilde Glut in den schwarzen Augen des Tieres!
    Der Weihnachtsmann hörte weder Sampos besorgte Rufe noch das aufgeregte Blöken der Rentierkühe in der Einzäunung. Er sah nur das gewaltige Rentier, das drohend näher kam und sein funkelndes Geweih in Angriffsstellung senkte. Es war so schön und stark, so voller Zauberkraft und Macht, dass der Weihnachtsmann ehrfürchtig den Kopf senkte und das Tier wie einen Ebenbürtigen grüßte.
    »Sei mir gegrüßt, Zauber-Ren.«
    Das Rentier hatte schon den Lauf erhoben, um dem Eindringling einen Tritt zu versetzen, doch als es die Stimme des Weihnachtsmannes hörte, blieb es verblüfft stehen, hob den Kopf und sah dem Weihnachtsmann tief in die Augen.
    »Wer bist du, dass du die Sprache der Tiere sprichst?«
    »Ich bin der Weihnachtsmann.«
    »Bist du vielleicht derjenige, der mir prophezeit wurde? Ich wusste, dass Sampo mich zu jemandem führen wird, der mich für eine zaubermächtige Aufgabe braucht. Ich bin das Warten leid.«
    »Ich wäre jedenfalls gerne dein Gefährte. Wie wäre es, wenn ich dir erzähle, was ich mit meiner Zauberkraft tue? Vielleicht bin ich derjenige, auf den du gewartet hast.«
    Sampo spähte hinter dem Baum hervor und wollte seinen Augen nicht trauen. Das wilde Zauber-Ren des Staalo, das er selbst kaum zu berühren wagte, trat mit schräg gelegtem Kopf näher an den Weihnachtsmann heran und legte ihm das Maul auf die Hand. Der Weihnachtsmann streichelte das Tier am Hals, das Ren stupste ihn an, und dann gingen beide in schönster Eintracht in den Wald.
    Das wollte mir die Zaubertrommel also sagen, dachte Sampo. Das Zauber-Ren und der Weihnachtsmann gehörten auf irgendeine besondere Weise zusammen, und das Bündnis zwischen ihnen entstand gerade jetzt, in diesem Moment. Trotz seiner jungen Jahre war Sampo ein kluger Lappe, und deshalb ließ er die beiden allein. Er seufzte wehmütig, zuckte mit den Schultern und ging zu seiner Hütte.
    Der Weihnachtsmann und
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher