Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
Vom Netzwerk:
sogar gejubelt. Jetzt knurrte er nur vor sich hin und brütete Nacht um Nacht über seinen dunklen Gedanken, von einem Mondumlauf zum nächsten. Das Leben der Trolle war schwierig geworden, denn der Trübsinn machte den Staalo jähzornig.
    »Früher hat der Staalo sich erkundigt, was es Neues gibt, und manchmal hat er uns Dunkeltrolle gebeten, um das Lagerfeuer zu tanzen. Das war richtig lustig, wenn wir im Kreis um das Feuer hüpften und der Widerschein der Flammen unsere Schatten an die Höhlenwände warf. Aber jetzt hocken wir nur herum. Den ganzen Winter haben wir nicht tanzen dürfen, nicht ein einziges Mal.«
    »Uns Höhlentrollen ist der Spaß auch vergangen. Früher hat der Staalo die Bilder bewundert, die wir in die Höhlenwände geritzt haben, und uns angespornt, neue und immer ungewöhnlichere Figuren zu erfinden. Jetzt sagt er, das Gekritzel sei überflüssig. Die blanken Höhlenwände seien gut genug.«
    »Und wir trauen uns nicht, ihm zu widersprechen.«
    »Nein, es ist nicht ratsam, gegen den Staalo aufzubegehren.«
    Die Trolle nickten sich zu, seufzten und setzten sich auf ihre Plätze, um auf die Befehle des Staalo zu warten.
    Den Staalo ärgerte das Getuschel der Trolle. In letzter Zeit schienen sie ihm ständig im Weg zu sein; sie lärmten und störten ihn beim Nachdenken. Er wollte seine Ruhe haben, seinem Zauber-Ren nachtrauern und überlegen, wie er sich rächen konnte.
    Er konnte nicht begreifen, warum das Zauber-Ren sich widerstandslos von Sampo Lappalainen hatte mitnehmen lassen. Sampo war nur ein einfacher junger Lappe, fast noch ein Junge, und dennoch war er einfach so auf Skiern zum Zauberberg des Staalo gekommen, hatte die Skier abgeschnallt und sich auf den Rücken des Zauber-Rens gesetzt. Das Zauber-Ren hatte sich überhaupt nicht gewehrt, sondern zugelassen, dass Sampo sich an seinem silbrig schimmernden Fell festhielt und es mit Tritten in die Flanke antrieb. Es war schnurstracks den Berg hinuntergelaufen und hatte den weiten Weg bis zu den Menschen zurückgelegt, wie Sampo es wollte. Der Staalo hatte seine Trolle hinter ihm hergeschickt, doch mit dem Tempo des Zauber-Rens konnten sie nicht mithalten.
    Er war wütend geworden und hatte geschworen, sich zu rächen, sobald das Zauber-Ren zurückgekommen war. Keine Sekunde lang hatte er geglaubt, dass es bei Sampo bleiben würde. Selbstverständlich würde es ein Loch in die Stallwand treten und im Nu über die Umzäunung springen. Jeden Abend war der Staalo nach Sonnenuntergang auf den Gipfel seines Zauberbergs gestiegen und hatte den Horizont abgesucht. Manchmal, wenn der Schnee aufstob, hatte er geglaubt, das Zauber-Ren in wildem Lauf zu sehen, doch es war jedes Mal nur der Wind gewesen, der den trockenen Frostschnee aufgewirbelt hatte. Das Zauber-Ren kam nicht zurück, der Staalo war allein auf seinem Zauberberg.
    Warum kehrte es nicht zurück? Er hatte gedacht, das Ren fühle sich auf dem Zauberberg wohl, denn es war in wilden Sprüngen durch den Schnee gelaufen und hatte seine schwere Last spielerisch leicht gezogen. Der Staalo hatte mit einer langen Peitsche im Rentierschlitten gesessen, und vor seinen Augen waren die schimmernden Hufe in atemberaubendem Tempo auf und ab geflogen. Das Ren zog ihn jeden Tag weiter und schneller, die lange Zunge hing ihm aus dem Maul, es keuchte und schnaufte, während über ihm die Peitsche fröhlich knallte, und wurde nicht langsamer, mochte der Weg noch so steil bergan führen. Die Schneehühner flogen erschrocken auf, wenn sie das dumpfe Lachen des Staalo hörten. War das ein Leben gewesen!
    Nun war das Lachen verschwunden, es war vorbei mit der Freude und der Geschwindigkeit. Das dichte Fell des Rentiers, in das er seine Finger gegraben hatte, war nicht mehr da, fort auch der kluge Schimmer in den schwarzen Augen des Tieres, fort die Freude auf eine weitere Schlittenfahrt am nächsten Abend. Ein gewöhnliches Rentier konnte den schweren Schlitten des Staalo nur über ein paar Fjellhänge ziehen. Am meisten vermisste der Staalo jedoch das große Geheimnis des Zauber-Rens. Einmal im Jahr lief es schneller und immer noch schneller. Dann klang das Poltern seiner Hufe wie Donnergrollen, und der Schnee begann, unter dem Schlitten zu singen. Immer rasender wurde die Fahrt, bis das Zauber-Ren einen Sprung machte und seine schwere Last geradewegs in den Sternenhimmel zog. Eine Nacht lang konnte das Zauber-Ren fliegen, und an diese Nacht erinnerte sich der Staalo, vor Freude zitternd; er erinnerte sich
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher