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Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
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schlug mit der Handfläche einen weichen Ton an. Der Weihnachtsmann war schon beinahe eingeschlafen, öffnete aber noch einmal die Augen, um Sampos Instrument zu sehen. Auf einen Rahmen aus gebogenem Holz war schönes helles Leder als Trommelfell gespannt. Auf dem Leder waren viele kleine Zeichnungen zu sehen; der Weihnachtsmann erkannte ein stolzes Ren mit prächtigem Geweih, einen Wolf, einen Schwan und die Sonne. Auch Menschen waren auf das Leder gezeichnet und Sterne am Himmel. Sampo fügte gerade eine neue Gestalt hinzu: einen Mann mit rauschendem Bart. Zeichnet er etwa mich?, überlegte der Weihnachtsmann und schlief ein.
    Im Halbschlaf hörte er, wie Sampo sanft die Trommel schlug, sein Spiel immer wieder unterbrach und verblüfft murmelte: »Immer wieder der Weihnachtsmann und das Zauber-Ren. Das ist ein Zeichen für irgendetwas, für etwas ganz Besonderes.«
    Dann sank der Weihnachtsmann in einen so tiefen Schlaf, dass er das Trommeln nicht mehr hörte. Er wurde in eine lange zurückliegende Zeit versetzt, in der das Polarlicht ihm ganz nahe gewesen war.
    Im Traum erinnerte er sich, wie sich der Kuss des Polarlichts auf seiner Wange angefühlt hatte. In der ersten Nacht nach seiner Geburt hatte sich das Polarlicht tief hinuntergebeugt, bis zur Erde, nur um ihn zu küssen. Es hatte ihm eine Kette umgelegt, mit einem Stein, auf dem die Farben des Polarlichts glühten, und dieser Stein erinnerte ihn immer an das Bündnis. Es war ein glücklicher Moment gewesen. Er erinnerte sich an den Jubel, den er damals verspürt hatte, und an die Kälte. Er war neugeboren und voller Freude über die Lichter am Himmel, über die Schönheit der Welt und über den Frost, der entzückt seine nackte Haut zwickte, als sein Vater ihn auf starken Armen zum Winterhimmel emporhob. »Begrüße die Welt, in die du geboren bist, mein Sohn«, sagte der Vater, und er rief dem Polarlicht und dem Himmel seinen gellenden Gruß zu. Das alles dauerte nur einen flüchtigen Moment, dann trug ihn der Vater rasch zurück in die warme Sauna und legte ihn in die Arme seiner Mutter. So hatte er die Stunde seiner Geburt im Gedächtnis, und seitdem hatte das Polarlicht in jeder klaren Frostnacht zu ihm heruntergespäht und ihn gegrüßt. Manchmal küsste es ihn flüchtig, manchmal knallte es verschmitzt hinter seinem Rücken, manchmal summte es nur hoch oben sein friedvolles Lied aus anderen Himmeln. Dann bebte der Stein an seinem Hals, als wäre er lebendig, und der Weihnachtsmann spürte, dass er etwas ganz Besonderes war. Er wusste, dass das Polarlicht mit keinem anderen so umging wie mit ihm. Nur er konnte die Berührung des Polarlichts spüren und seine hinreißende Stimme hören, und dank des Polarlichts erhielt er in jeder Weihnachtsnacht magische Kraft.

Kapitel 2
    D er Staalo hockte finster auf seiner Felsplatte und grummelte. Das Polarlicht, das draußen aufflammte, steigerte seine Wut noch. Warum leuchtete es immer über dem Korvatunturi? Warum hätschelte es den Weihnachtsmann, der dort wohnte, und nicht ihn?
    Hasserfüllt dachte der Staalo an das Geschenk, das der Weihnachtsmann bei seiner Geburt vom Polarlicht bekommen hatte. Er streckte seine große Faust gen Himmel und brüllte mit verzerrtem Gesicht: »Warum hast du ihn gewählt statt mich, verdammtes Polarlicht! Ich bin stärker und mächtiger, aber du hast dein Licht in den Stein fließen lassen, der ihm um den Hals hängt. Warte nur ab, ich werde es dir noch zeigen, dir und dem Weihnachtsmann und allen, die ich hasse!«
    Der große Höhlentroll, der schlotternd im Hintergrund hockte, hütete sich, dem wütenden Staalo zu nahe zu kommen. Aber so heiß die Wut des Herrn des Zauberbergs auch war, sie erlosch so plötzlich, wie sie aufgewallt war. Der Staalo sank zurück auf seine Felsplatte. Auf seinem steinernen Sitz schimpfte er vor sich hin.
    Ein Dunkeltroll mit schwarzen Augenbrauen schlich sich zu dem Höhlentroll und stieß ihn leise an.
    »Der Staalo brummt schon seit Monaten unaufhörlich«, wisperte er.
    »Ja, seit dieser verflixte Sampo Lappalainen ihm sein schönstes Zauber-Ren gestohlen hat. Seitdem ist hier auf dem Zauberberg alles miserabel«, antwortete der Höhlentroll flüsternd.
    »Es war aber auch prächtig, das Zauber-Ren, nicht wahr? Sein Geweih sprühte goldene Funken, und es lief so schnell über den Schnee, dass sich sogar der bärbeißige Staalo freute.«
    Die Trolle nickten sich zu. Es war ein prächtiger Anblick gewesen, und damals hatte der Staalo bisweilen
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