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Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt
Autoren: Paula Havaste
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Waldrand erschien ein seltsames Wesen. Es hatte vier Beine, einen flauschigen weißen Pelz, graue Flügel und einen krummen Schnabel. Die verblüfften Wichtel glaubten, irgendein fremder Troll wolle sie angreifen, doch Oiva hatte bessere Augen als die anderen.
    »Das ist die Krähe, und sie reitet auf einem Polarfuchs! Dass so etwas möglich ist, hätte ich nie gedacht«, sagte er ungläubig.
    »Papa! Wie gut du reiten kannst!«
    »Kraak! Ich komme! Ein verstauchter Flügel kann mich nicht aufhalten. Ich habe dem Polarfuchs befohlen, mich aufsitzen zu lassen, damit ich den Aufbruch des Weihnachtsmannes nicht verpasse!«
    »Befohlen, puh!«, schnaubte der Polarfuchs verärgert. »Wir Polarfüchse lassen uns nichts befehlen. Manchmal bieten wir eventuell unsere Hilfe an, aber kommandieren lassen wir uns nie. Und für mich war es garantiert das letzte Mal, dass ich irgendwem Hilfe angeboten habe.«
    Die Krähe löste ihre Zehen aus dem Rückenfell des Polarfuchses, der sich vor Ekel schüttelte. Wie der Blitz rannte der Polarfuchs ein Stück zurück und wälzte sich schimpfend im Schnee.
    »Pfui Deibel, diese harten, kalten Zehen! Mein schönes Fell ist völlig durcheinander!«
    »Danke, lieber Polarfuchs«, sagte der Weihnachtsmann freundlich. »Du warst ein Helfer in der Not. Ohne dich hätte die Krähe mit ihrem verstauchten Flügel wer weiß wie lange frierend im Wald gelegen.«
    »Na ja, schon gut«, schnaubte der Polarfuchs, freute sich aber sichtlich über das Lob. »Solange es nicht zur Gewohnheit wird.«
    Dann verschwand er blitzschnell im Wald.
    »Jetzt sind alle Säcke mit den Geschenken verstaut und festgebunden. Alles ist fertig«, verkündete Onni stolz.
    »Nur die kleine Kyksi fehlt«, flüsterte der Weihnachtsmann.
    Er berührte den bebenden Stein an seinem Hals und sah zum Himmel auf. Alle anderen wandten den Blick in dieselbe Richtung. Das Polarlicht leuchtete strahlender als je zuvor, und ein tiefes Glücksgefühl erfasste alle.
    Das Zauber-Ren schüttelte den Kopf und brummte ungeduldig. Da legte ihm der Weihnachtsmann die Hand auf den Hals und flüsterte ihm etwas ins Ohr. Als das Ren den Kopf hob und laut blökte, sprang der Weihnachtsmann in den Schlitten und ließ die Zügel fröhlich knallen. Mit einem Satz waren sie am Himmel. Die kleinen Rentiere folgten ihnen stolpernd und mit schwankenden Schlitten. Höher und höher stieg der Zug, dem Polarlicht entgegen.
    Die Wichtel starrten voller Verwunderung und Freude an den Himmel, und die Tiere aus der Pflegestube schnurrten zufrieden. Jubelnd sahen die Wichtel, die Tiere und die Hausmutter, wie das Polarlicht leuchtete, wie der schneeweiße Bart des Weihnachtsmannes schimmerte, das Geweih des Zauber-Rens goldene Funken sprühte und die Flanken der Kälber silbern leuchteten.
    Da schüttelte die Krähe ihre Flügel und riss ihren Krummschnabel weit auf. Sie sprang auf die Zehen, reckte den Hals und krächzte:
    »Frohe Weihnachten, Weihnachtsmann, ein für alle Mal frohe Weihnachten auf der ganzen Welt!«

Paula Havaste (geb. 1962) ist promovierte Philosophin, die Managerin der Programmentwicklung im Finnish Science Centre und Mutter von drei Kindern. Sie hat bereits drei historische Romane veröffentlicht und Kinderliteratur erforscht, übersetzt, herausgegeben und besprochen. AUSGEWICHTELT ist ihr erstes Weihnachtsbuch.
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