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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt
Autoren: James W. Nichol
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zu sehen war. Seine Lippen leuchteten von Walkers Blut.
    Walker spannte seinen Körper an, holte mit dem rechten Bein aus und merkte, wie das Seil noch ein wenig nachgab. Er zog das Knie hoch und rammte Robert den Absatz seines Stiefels direkt in den lüsternen, blutverschmierten Mund.
    Roberts Kopf schnellte zurück. Er fiel zu Boden. Er regte sich nicht. Er lag da wie von einer Kugel getroffen.
    Walker zog noch einmal an dem Seil um seine Hände. Langsam kam er nach oben. Als sein Mund auf gleicher Höhe mit seinen Händen war, kratzte er sich das Klebeband mit den Fingern ab. Er biß in den Knoten, konnte ihn aber nicht lösen.
    Walker spürte, wie ihm das Blut über den Bauch und unter den Gürtel lief, wie warmes Wasser, das seine Lenden umspülte. Er sackte wieder ab. Das rechte Bein war jetzt fast ganz frei, das Seil baumelte ein wenig. Er schwang sich in die andere Richtung, auf den Baumstamm zu. Das Seil, das um den jungen Baum geschlungen war, löste sich.
    Wieder schwang er sich zum Baumstamm, und jetzt schaffte er es, sich mit dem rechten Bein an einem niedrigen Ast festzuklammern. Er klemmte den Ast zwischen die Beine und zog sich hinauf. Auf den Ast gestützt, arbeitete er sich nun Zentimeter um Zentimeter mit dem Gesicht nach oben zu seinen gefesselten Händen zurück. Der Strick erschlaffte.
    Walker hatte eine einzige, winzige Chance. Er begann den Knoten mit den Zähnen zu bearbeiten. Er wusste, dass er sich nicht von Panik überwältigen lassen durfte, er brauchte einen klaren Kopf. Alles, was er tat, musste ihn der Freiheit einen Schritt näher bringen. Jede Sekunde musste ihn voranbringen. Die Zeit lief ihm davon. Das Mondgesicht, Mole, wo immer er auch gerade war, würde sich bald Sorgen machen und zurückkommen. Oder Robert würde aufwachen und nach ihm rufen.
    Der Knoten verrutschte und löste sich. Walker schüttelte das Seil ab, löste den Knoten um seinen linken Knöchel und fiel zu Boden.
    Jetzt wagte er es, sich seine aufgeschlitzte Haut anzusehen. Die Wunde sah aus wie ein roter Schmollmund, wie ein zusätzlicher, senkrechter Mund. Seine Jeans waren blutgetränkt.
    Sein Kopf begann sich zu drehen. Er blickte auf. Mole stand direkt vor ihm. Er drosch Walker die Faust ins Gesicht.
    Walker taumelte nach hinten, strauchelte. Mit überraschender Geschwindigkeit und Verzweiflung stürzte sich der Mann auf ihn, legte ihm die Hände um den Hals und drückte mit aller Kraft zu. Sie schwankten, verloren den Halt, fielen hin.
    In diesem Moment lockerte sich Moles Griff, und Walkers im Straßenkampf erprobten Reflexe gewannen die Oberhand. Er rammte dem Mann den Daumen tief ins Auge.
    Mole rollte schreiend zur Seite. Walker traktierte ihn mit Schlägen, bis der Mann keinen Widerstand mehr leistete und Walker keine Kraft zum Weitermachen hatte.
    Er stand auf, löste den Strick, der ihm immer noch vom rechten Fuß hing, und fesselte Mole damit.
    Robert lag nach wie vor auf dem Rücken. Als Walker näherkam, öffnete er die Augen.
    Walker kniete sich neben ihn und packte das Messer. Die andere Hand presste er ihm aufs Gesicht und hielt ihm die wachsamen Augen zu. Er drückte Robert den Kopf so tief in die Erde, wie er nur konnte.
    Robert gab keinen Laut von sich.
    Walker nahm das Messer und schlitzte ihm die Kehle auf, ganz sanft, mehr ein Ritzen als ein Schlitzen. Gerade genug, dass ein dünner Blutfaden heraussickerte.
    Dann stand er auf und ging davon.
    Seine Beine konnten jeden Moment nachgeben, das Blut dröhnte in seinem Kopf. Er stolperte den Weg zurück, fand den Wagen und stieg ein.
    In der Dunkelheit tastete er nach dem Schlüssel im Zündschloss, und er war da – es gibt noch Wunder, dachte er, man darf nur nicht sterben, dann geschehen Wunder.
    Er startete und fuhr los, die Serpentinen der engen, kurvigen Straße durch den Park hinauf, bis er schließlich die tiefe, bewaldete Schlucht hinter sich ließ.
    Nun trieb Walker dahin. Das Dröhnen des Blutes in seinem Kopf hatte nachgelassen. Er schlief schon halb. Alles war warm und angenehm. Lennies Gesicht löste sich aus den Schatten, und er konnte sie vor sich sehen. Sie hatte ein wunderschönes Gesicht. So weich. Und ihre Augen waren so dunkel und hielten sein Gesicht in ihrem Spiegel fest. Und ihre Stimme war wie Musik, und ihre Worte wie ein Kuss. »Halt dich fest«, flüsterte sie, »halt dich ganz fest.«
    Die Reifen des Wagens rumpelten über etwas, der Wagen kam mit einem dumpfen Aufprall zum Stehen, und Walker wurde gegen das Lenkrad
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