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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt
Autoren: James W. Nichol
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geschleudert. Irgendwo in der Ferne kreischte eine Autohupe los. Sie störte seine Ruhe. Das war lästig. Walker war der Meinung, jemand müsse etwas unternehmen. Wegen des Lärms konnte er beinahe nicht schlafen.

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    D as erste, was er sah, war Kristas Gesicht. Sie starrte ihn an, ihre Nase berührte fast die seine, ihre blauen Augen waren voller Besorgnis und voller Erwartung. Als warte sie darauf, dass er etwas Außerordentliches tue, als sei sie sich aber nicht hundertprozentig sicher, dass er dazu wirklich in der Lage war. Als sitze sie vor und er hinter dem Fernsehbildschirm. Er wusste nicht, was sie sich erhoffte. Ein Lied? Eine Ansprache? Er streckte die Hand aus und klopfte an die Scheibe. Sie ging weg.
    Einen Augenblick später (Krista behauptete steif und fest, es sei drei Tage später gewesen) sah er sie wieder. Doch jetzt sah sie gelangweilt aus, das Kinn hatte sie auf die Hand gestützt, ihre Ellenbogen ruhten auf der Bettkante. Walker wusste, wo er war. Er war in einem hellgrün gestrichenen Raum. Direkt hinter Krista gab es ein Fenster, mit langen Plastikstreifen davor, um das Licht abzuschirmen.
    »Aufwachen«, sagte er.
    Sie zuckte zusammen.
    »Mensch, tut mir der Hals weh«, sagte er.
    Walker hörte Gerard Devereaux’ Whiskystimme sagen: »Er ist wach«, und seine Mutter tauchte hinter Krista auf, die Hand vor dem Mund, Tränen in den Augen. Und seine Schwestern, die großen und die kleinen, fielen plötzlich über das Bett her, und Stewey stand drüben an der Tür und grinste wie ein Idiot. Sogar seine Schwager waren da.
    Zuerst war alles Chaos und Aufruhr, tränenreich und wunderbar. Allmählich kehrte Ordnung ein.
    Krista hatte alles dirigiert. Sie hatte den Deveraux’ erzählt, was ihm zugestoßen war und warum. Sie war mit Detective Sergeant Kiss und seinem Team jedes einzelne Detail durchgegangen, immer wieder, beginnend mit dem verschwundenen Brief und dem Foto von den zwei kleinen Mädchen.
    Und sie hatte zwei Wochen lang an seinem Bett gesessen, während sein Körper mit einer fürchterlichen Infektion gerungen hatte. Diese war jedoch keineswegs die Folge der fünfzehn Zentimeter langen Schnittwunde gewesen, sondern die eines kleinen Lochs in seinen Gedärmen. Glücklicherweise hatte Robert noch nicht richtig losgelegt.
    Nachdem die Devereaux’ und Stewey sich an diesem Abend endlich auf den Weg ins Hotel gemacht hatten, dämpfte Krista das Licht in seinem Zimmer. Sie setzte sich neben ihn und erzählte ihm alles, was sie über Robert und den Mondgesichtigen und Jake Nuremborski wusste.
     
    Als Walker an dem Abend, an dem Nick ihn nach Hause gebracht hatte, nicht ans Telefon gegangen war, hatte sie die Polizei gerufen. Sergeant Kiss war wütend gewesen. Er organisierte die Überwachung des Nuremborski-Hauses und mochte es ganz und gar nicht, dass Walker da hinging und alles ruinierte. Doch es war zu spät.
    »Du hattest es schon geschafft«, sagte sie düster. Noch ein Versprechen, das er nicht gehalten hatte.
    Kiss war so in Sorge, dass er persönlich zu den Nuremborskis fuhr. Als ihn einer seiner Beamten zur Nummer Neunzehn führte, die eine Straße weiter parkte, und Kiss Walkers Foto auf dem Ausweis auf dem Armaturenbrett sah, war er keineswegs erfreut.
    Das Überwachungsteam suchte rund ums Haus alles ab. Kein Walker. Kiss hatte eine schwere Entscheidung zu treffen. Entweder ging er davon aus, dass Walker sich im Haus und in unmittelbarere Gefahr befand. Das gäbe ihm die rechtliche Handhabe, ins Haus einzudringen, auch ohne Durchsuchungsbefehl. Oder er nahm an, dass Walker seine Leute herumschnüffeln sehen und beschlossen hatte, sich zu verdrücken. Aber wenn er an die Tür hämmerte, hatte die Überwachung keinen Sinn mehr.
    Was sollte er tun? Jake Nuremborski schlitzte womöglich genau in diesem Moment fröhlich lächelnd dem Jungen den Bauch auf. Vielleicht dekorierte er gerade das ganze Haus mit seinen Darmgirlanden. Woher sollte Kiss wissen, was da gerade los war? Er musste mit äußerster Vorsicht zu Werke gehen, alles bis auf das letzte i-Tüpfelchen richtig machen, sonst würde er den Fall nie weiter als bis zu einem Staatsanwalt bringen, geschweige denn in einen Gerichtssaal, geschweige denn ihn gewinnen. Dieser Walker war drauf und dran, ihm alles zu versauen.
    Etwa zwanzig Sekunden lang kochte Kiss in der Dunkelheit vor dem Nuremborski-Haus. »Wir gehen rein«, sagte er dann.
    Sie klingelten an der Eingangstür. Niemand kam. Sie hämmerten gegen alle Türen.
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