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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt
Autoren: James W. Nichol
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Armer Mole. Nicht besonders helle. Und weißt du, was ich gesagt habe?«
    Walker rang sich ein »Nein« ab.
    »Ich habe gesagt: Fang ihn. Mole tut alles, was ich ihm sage. Weißt du, warum?«
    »Nein«.
    »Weil er keine andere Wahl hat«, kam fauchend die Antwort.
    O. K., dachte Walker, jetzt oder nie, das ist vielleicht meine einzige Chance. »Ist er mir auch zur Polizei gefolgt?«, fragte er. Sein Hals fühlte sich an, als ob etwas daran nagte.
    Es kam keine Antwort, aber Walker merkte, dass er Roberts Aufmerksamkeit erregt hatte. Die Luft vibrierte von erhöhter Wachsamkeit, geschärften Sinnen, wie bei einem Tier, das auf der Hut war.
    »Als wir in Toronto ankamen«, fuhr Walker trotz der Schmerzen fort, »habe ich ihnen als allererstes von dem toten Jungen am French River, dem Jungen auf Jamaika, meinen Eltern erzählt. Alles. Wenn die mich jetzt tot finden, seid ihr, du und dein Freund, die ersten, die sie sich vorknöpfen werden.«
    Walker erkannte zwei unruhige Lichtflecke, die ihn aus der Dunkelheit anstarrten. Der Wagen hielt an und der Motor ging aus. Die Fahrertür wurde geöffnet, und das Licht über dem Fahrersitz ging an.
    Plötzlich war Robert da, saß ein wenig abseits in seine gelbkarierte Decke gehüllt und blickte Walker mit einem Ausdruck der Verblüffung an, als gelte es, ein relativ harmloses und trotzdem ärgerliches Problem zu lösen. Die Fahrertür schlug zu, und das Licht ging wieder aus.
    »Du hast Mole aufgeregt«, sagte Robert.
    Die hintere Tür ging auf, und diesmal leuchtete das Deckenlicht über Walkers Gesicht richtig auf. Alles auf dem Rücksitz wurde von erschreckender Helligkeit erfaßt. Der Mondgesichtige tauchte auf, mit einer lächerlichen, kleinen blauen Chauffeurmütze auf seinem runden Kopf, und eine Flut von Tränen ergoß sich über sein Gesicht.
    »Siehst du?«, sagte Robert.
    »Sie sind direkt vom Flughafen gekommen«, stieß der völlig verängstigt aussehende Mann hervor. »Sie hatten das Gepäck dabei, ich habe gesehen, wie er vor seinem Haus aus dem Taxi gestiegen ist.«
    »Und du hast unseren kleinen Freund seither nicht mehr aus den Augen gelassen. Ja, ja«, antwortete Robert und sah dem Mann in sein bebendes Gesicht. »Aber woher sollen wir wissen, dass sie nicht vorher zur Polizei gegangen sind?«
    Robert bedeutete Mole, näher zu kommen. Er tat es, und Robert streckte sich und küsste ihn auf den Mund. »Tu genau, was ich dir gesagt habe«, raunte er.
    Mole errötete ein wenig und sah überrascht aus. Robert hatte ihn noch nie auf den Mund geküsst.
    »Ich verschwinde«, versprach Walker. »Du wirst mich nie wieder sehen.«
    »Kleb ihm zuerst den Mund zu«, sagte Robert.
    Der weinende Mann schlug die Tür zu, und das Licht ging aus.
    Jetzt war es noch schwärzer als vorhin, schwärzer als jeder Ort, an dem Walker bisher gewesen war.
    »Bitte«, krächzte er. »Bitte!« Er hörte das Knarren des Kofferraumdeckels. Der Wagen schaukelte ganz leicht.
    »Mole holt das Handwerkszeug«, sagte Robert.
    Die Tür, an der Walkers Kopf lehnte, wurde geöffnet. Sein Kopf fiel herunter und hing aus dem Wagen. Schrei, dachte er, aber es war schon zu spät. Ein breites Stück Klebeband wurde ihm auf den Mund geklatscht. Er spürte, wie es um den ganzen Kopf gewickelt wurde. Einmal. Und noch einmal.
    Der Mann tastete unter Walker nach dem Strick, mit dem er dessen Hände und Füße auf dem Rücken zusammengebunden hatte. Er erwischte ihn und zog Walker langsam rückwärts, bis der aus dem Wagen fiel.
    Er packte fest zu und schleppte Walker vor Anstrengung keuchend hinter dem Wagen über eine schmale Straße zwischen Bäumen hindurch einen Weg hinunter.
    Walker rumpelte auf dem Rücken dahin, bis Mole stehen blieb und ihn losließ. Dann rollte Walker sich zur Seite. Er roch Blätter und scharfen Modergeruch und den wunderbaren Duft von Erde.
    Mole fing wieder an zu weinen.
    Walker blickte auf und sah, wie er sich die platte Nase und die winzigen Äuglein mit dem Jackenärmel abwischte. Er verschwand in Richtung Auto, sein Wimmern verstummte.
    Walker sah in den Himmel. Wo waren die Sterne? Wo war die Milchstraße? Wo war Gott?
    Mole war wieder da, und er weinte nicht mehr. Seine Bewegungen zeugten von schneller, verzweifelter Entschlossenheit, als habe er sich entschieden, das hinter sich zu bringen. Was
das
auch immer war. Er würde es hinter sich bringen und nie wieder an diese Nacht denken.
    Er stellte etwas auf den Boden. Es sah aus wie eine batteriebetriebene Campinglampe.
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