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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin
Autoren: Gunter Haug
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Die Filderebene bei Echterdingen unweit von Stuttgart
    5. August 1908 14 Uhr 54
    Ein Schrei.
    Ein einziger, spitzer Schreckensschrei.
    »Um Gottes willen!«
    Ein Alarmruf, der die Luft zerfetzte, die glühend heiß auf der Landschaft lastete.
    Eiskalt fuhr es den weit über 50.000 Schaulustigen durch Mark und Bein, die an diesem historischen Tag ihre Arbeit einfach hatten stehen und liegen lassen, um LZ 4, das riesige Luftschiff des Grafen Zeppelin, mit eigenen Augen bestaunen zu können. Niemals zuvor waren so viele Menschen auf den Fildern versammelt gewesen. Kein Wunder: sie waren Zeugen der ersten Landung eines Zeppelin auf dem festen Erdboden und nicht wie bisher auf der Wasserfläche des Bodensees. Ein Wagnis – erst recht, nachdem nur noch einer der beiden Motoren funktioniert hatte und von Technikern der Daimlerwerke nun hier an Ort und Stelle repariert werden sollte. Die Landung heute morgen kurz vor acht Uhr war völlig problemlos gelungen. Ganz sanft und majestätisch hatte sich das 136 Meter lange und 13 Meter breite Luftschiff aus dem Himmel herunter gesenkt. Mit Hilfe der rasch herbei geeilten Filderbauern konnte die Besatzung die Halteseile ihres Schiffs sicher im Boden verankern. Danach waren die mutigen Luftfahrer – allen voran der Graf mit seinem markanten weißen Schnurrbart – unter dem tosenden Jubel der staunenden Zaungäste aus den beiden Gondeln auf der Unterseite des prall mit unfassbaren 15.000 Kubikmetern Wasserstoffgas gefüllten Kolosses gestiegen.
    Eindrucksvoller hätte die Vorführung gar nicht ausfallen können. Ein Triumph ohnegleichen: für die Luftschiffe und erst recht für den Grafen Zeppelin, den Eroberer der Lüfte, der mit seinem LZ 4 in eine neue Dimension vorgestoßen war! Hier in Echterdingen hatte an diesem wahrhaft historischen Tag des 5. August 1908 endgültig das Zeitalter der Luftfahrt begonnen … um nur sieben Stunden später an genau demselben Ort sein katastrophales Inferno erleben zu müssen!
    Kaum dass der Schreckensschrei in ihr Bewusstsein gedrungen war, entfaltete sich unmittelbar vor den entsetzten Menschen ein fürchterliches Schauspiel. Von einer Sekunde auf die andere kam aus der von Westen herannahenden dunklen Gewitterfront eine Windböe über den Boden gefegt und prallte mit voller Wucht ausgerechnet gegen die Längsseite des gewaltigen Luftschiffs. Meteorologen sollten später von einer schweren Sturmböe sprechen, die den Zeppelin mit einer Geschwindigkeit von über 94 Stundenkilometern getroffen hatte. Die Wirkung war fürchterlich.
    »Zieht es in den Wind! Es muss mit der Spitze in den Wind!« rief einer der Ingenieure des Grafen Zeppelin mit sich überschlagender Stimme. Doch es war zu spät.
    Durch die Gewalt des Angriffs schoss das Heck des LZ 4 plötzlich in die Höhe, unmittelbar darauf brach der gigantische Schiffskörper nach rechts aus. Es war überhaupt nichts mehr zu machen: egal, wie verbissen die Haltemannschaft an der hinteren Gondel, die aus 30 Soldaten des Grenadierregiments Königin Olga bestand, sich auch mit ihrem ganzen Körpergewicht an die Seile klammerte, spannten sich die Stahltrossen blitzartig. Ein kurzer scharfer Ruck, dann lösten sich die Haltepflöcke wie Zahnstocher aus weicher Butter vom Erdboden, wodurch die Grenadiere das Gleichgewicht verloren und in bizarren Purzelbäumen unsanft auf dem Boden landeten.
    »Das Volk zurück!« donnerte das Kommando der Landjäger in die schreckensbleiche Menge, die wie erstarrt das unfassbare Geschehen verfolgte. Als sei es das Stichwort, wurden die ersten von Panik erfasst und drängten schreiend zurück durch die Frauen, Männer und Kinder, während nun auch der Bug des Schiffs mit brutaler Gewalt nach oben drückte.
    Verzweifelt versuchten die ebenfalls 30 Mann an der vorderen Gondel, sich mit Leibeskräften in die Taue zu werfen, um den Zeppelin wenigstens an seiner Spitze doch noch irgendwie am Boden halten zu können. Vergeblich. Schlimmer noch: Innerhalb von Sekundenbruchteilen stieg der monströse Ballon drei Meter in die Höhe und riss diejenigen Soldaten einfach mit sich davon, die das Tau nicht geistesgegenwärtig hatten fahren lassen. Hilflos zappelten die Beine der Grenadiere in der Luft, während der Zeppelin mit rasender Geschwindigkeit in Richtung Bernhausen über die Filderebene fegte. »Loslassen, sofort loslassen!« brüllte ihr Offizier mit sich überschlagender Stimme in die beginnende Massenhysterie hinein, worauf die Männer ihren Griff lösten und wie
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