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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin
Autoren: Gunter Haug
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Ihr anscheinend nicht!«
    »Packt sie – alle! Das ganze Offizierspack!«
    Schon standen sich die ersten Kontrahenten Auge in Auge gegenüber und es war nur noch eine Frage von wenigen Augenblicken, bis die Fäuste gegen die Schädel des Gegenübers donnern und die Situation endgültig eskalieren würde, als die Menschen plötzlich erstarrten.
    »Da! Schaut nur! Da kommt er!«
    »Tatsächlich!«
    Mit weit ausgestreckten Armen deuteten sie auf das Automobil, das von Echterdingen aus den direkten Weg über die Felder genommen hatte und sich mühsam seinen Weg durch die Menschenmenge zum Unglücksort bahnte. Im Fond des Wagens konnten sie einen Mann mit weißem Schnurrbart und weißer Mütze erkennen.
    »Der Graf Zeppelin!« flüsterten die Leute tief betroffen.
    Wie auf ein unhörbares Kommando bildete sich sofort eine Gasse für den Wagen des Grafen, der seinen versteinerten Blick starr nach vorne gerichtet hielt und die vielen tausend Menschen gar nicht wahrzunehmen schien, die ihn aus tränenfeuchten Augen mitleidsvoll beobachteten. Gerade erst hatte er sich im Gasthof »Hirsch« in Echterdingen auf sein Zimmer zurückgezogen, um sich vor dem Weiterflug nach Friedrichshafen ein wenig von den Strapazen der Landung und des anschließenden Volksauflaufes zu erholen, da war ihm wie ein Blitz aus heiterem Himmel die Nachricht von der Katastrophe überbracht worden, die sich nur wenige hundert Meter entfernt von dem ahnungslosen Mann zugetragen hatte. Einer der wenigen Automobilbesitzer von Echterdingen hatte sich spontan entboten, den Grafen sofort zur Unglücksstelle zu chauffieren. Und nun waren sie angelangt. Der Zeitpunkt, in dem das Unfassbare zur schockierenden Gewissheit mutierte.
    Kurz vor der übel zertrampelten Absperrung blieb der Daimlerwagen schließlich stehen, ein Beifahrer sprang eilig heraus und öffnete die hintere Tür, worauf der alte Mann langsam aus dem Fahrzeug kletterte. Einen Augenblick lang schwankte er unsicher und stützte sich mit der linken Hand am Wagen ab, dann reckte er in einer entschlossenen Geste sein Kinn in die Höhe und drückte den Rücken kerzengerade durch.
    Respektvoll wich die Menge zur Seite und gab damit die Sicht auf das verunglückte Luftschiff vollständig frei.
    Wie in Trance starrte der 70-jährige Graf regungslos auf die verrußten Überreste seines Lebenstraumes. Trotz der vielen tausend Menschen auf dem Gelände herrschte Totenstille, niemand wagte es, sich in diesem bedrückenden Moment auch nur leise zu räuspern. Es schien ihnen eine halbe Ewigkeit vergangen, als sich der totenblasse Ferdinand von Zeppelin endlich wieder umwandte. Mit beiden Händen fasste er sich an den Kopf und sprach dann diesen einen einzigen Satz, der ihnen allen eiskalt durch die Glieder fuhr und den keiner der hier Anwesenden jemals im Leben vergessen würde: »Ich bin ein verlorener Mann!«
    Bittere Tränen rannen über die Wangen des alten Offiziers – und er schämte sich dieser Tränen nicht.
    Vom Trümmerhaufen an der vorderen Gondel löste sich nun ein schlanker, junger Mann und schritt mit ernster Miene direkt auf den Grafen zu.
    »Das ist der Oberingenieur Dürr«, flüsterten die Leute leise.
    Graf Zeppelin grüßte seinen Chefkonstrukteur mit einem kurzen Kopfnicken.
    »Bitte kommen Sie mit, Exzellenz«, flüsterte Ludwig Dürr mit rauer Stimme. »Ich möchte Ihnen zusammen mit den anderen Kollegen an Ort und Stelle schildern, wie es nach meiner Beobachtung zu diesem fürchterlichen Unglück kommen konnte.«
    Auch der Kommandeur der Haltemannschaft gesellte sich zu der kleinen Versammlung an den Überresten der vorderen Gondel, wo er dem wie versteinert wirkenden Grafen ausführlich seine Version über den Hergang der Katastrophe schilderte, die sich weitgehend mit den Aussagen der Luftschiffbesatzung deckte. Zeppelin selbst sagte kein einziges Wort.
    »Schaut nur, wie der Mann Haltung bewahrt!«
    »Und das an einem solchen Tag!«
    »Das ist bewundernswert!«
    »Bewundernswert? Es ist großartig!«
    Die ersten spontanen Rufe ertönten. »Ein dreifaches Hoch auf den Grafen Zeppelin!«
    Es war dieser einzigartige Moment, der zum Auslöser für eine niemals zuvor erlebte Begeisterung werden sollte, die innerhalb kürzester Zeit die Herzen der Menschen in ganz Deutschland erfasste. Der Augenblick, in dem Ferdinand Graf Zeppelin endgültig zum Volkshelden aufstieg. Die unglaubliche Fassung, die er vor aller Augen in der schwersten Stunde seines Lebens an den Tag legte, verwandelte die
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