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Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin
Autoren: Gunter Haug
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anderthalb Stunden die Kunde von dem Unglück überbracht worden war. So rasch wie möglich wollte er zurück nach Friedrichshafen. Nur rasch die wenigen Sachen aus dem Zimmer holen und dann sollte es zum Bahnhof nach Stuttgart gehen. Wenn sie sich beeilten, müsste es möglich sein, dort noch den Abendzug an den Bodensee zu erreichen. Es drängte ihn mit aller Macht nach Friedrichshafen, das dem alten Grafen längst zur zweiten Heimat geworden war. In den Räumen im »Buchhorner Hof« pflegte er während der Arbeiten an den Luftschiffen schon seit vielen Jahren sein ständiges Quartier aufzuschlagen – in unmittelbarer Nähe der riesigen Montagehalle. Er musste jetzt einfach bei seinen Leuten sein. Musste zurück nach Manzell in die Zeppelinwerft, wo sie sicher schon längst eine Depesche von der Katastrophe erhalten hatten, ohne natürlich nähere Einzelheiten zu wissen. Und vor allen Dingen musste er zurück zu Bella, seiner geliebten Ehefrau, die sich inzwischen die allergrößten Sorgen um sein Wohlergehen machte.
    Bernhard Lau, der Kapitän des verunglückten Luftschiffs, würde ihn auf der Heimfahrt mit der Eisenbahn nach Friedrichshafen begleiten, während Oberingenieur Ludwig Dürr auf den Fildern zurückbleiben wollte, wo er am morgigen Tag mit der detaillierten Unfallaufnahme beginnen und im Namen des Grafen auch die Verhandlungen mit den Behörden im Hinblick auf die Aufräumarbeiten, mögliche Schadenersatzforderungen und ähnlich unerfreuliche Themen aufnehmen würde. So hatten sie es auf dem Rückweg von der Unglücksstelle nach Echterdingen in aller Eile besprochen.
    Nichts wie fort aus Echterdingen, wo er die schlimmste Niederlage seines langen Lebens erlitten hatte. Nur weg! Weit weg! Zur Ruhe kommen und Nachdenken. Sich zusammen mit Bella für eine Weile völlig aus der Öffentlichkeit zurückziehen und die Katastrophe vergessen, die ihn heute Nachmittag kurz nach 15 Uhr so unvermittelt überfallen hatte. Denn eines war klar: es war vorbei. Aus der Traum von der Luftschifffahrt. Zumindest für ihn: den »Luftgrafen« Ferdinand von Zeppelin. Seine Laufbahn war jetzt definitiv an ihrem Endpunkt angelangt. Sämtliche finanziellen Mittel waren restlos erschöpft. Vernichtet. Nicht nur das Firmenkapital, sondern fatalerweise auch das ganze private Vermögen. Innerhalb von wenigen Minuten war es in Gestalt des LZ 4 in Flammen aufgegangen. Nur noch ein klägliches Häufchen Asche war ihm geblieben. Womöglich würden sie nun sogar Schloss Girsberg bei Emmishofen, ihren geliebten Sommerwohnsitz am Bodensee, verkaufen müssen. Eine Katastrophe!
    Wieso war er nur so unverantwortlich weit gegangen?! Selbst seine beiden Geschwister würden es ihm nie verzeihen, wenn er Girsberg, das Erbe seiner Familie, wirklich verspielt hätte.
    Mit geradezu sträflichem Leichtsinn hatte er einfach alles auf eine Karte gesetzt. In der sicheren Überzeugung, es schaffen zu können. Nun gut: der Triumph war ja beinahe schon zum Greifen nahe gewesen. Nur noch der Rückflug nach Friedrichshafen, dann wäre der vom Kriegsministerium geforderte 24-Stunden-Flug erfolgreich absolviert gewesen. Der längste Flug, den Menschen jemals unternommen hatten. Ein gewaltiger Belastungstest, von dessen erfolgreichem Ausgang das Militär seinen millionenschweren Kaufauftrag abhängig gemacht hatte. Das Prinzip »Leichter als Luft« – nur noch lächerliche 100 Kilometer waren zu überwinden gewesen, dann hätte es seine triumphale Bestätigung gefunden. Pah! Vorbei! Was machten diese ganzen Gedanken denn jetzt noch für einen Sinn? Seit heute war doch alles aus …
    Er hatte hoch gepokert – und auf der Filderebene am heutigen Nachmittag alles verloren.
    In dieser fürchterlichen Situation bewegte ihn nur noch ein Gedanke: Echterdingen so schnell wie möglich den Rücken zu kehren. Den Ort seines zerstörten Lebenstraums hinter sich lassen. Alleine sein. Endlich Ruhe haben. Doch daraus sollte so rasch nichts werden.
    Denn während der kurzen Zeit, in der er sich im Gasthof aufgehalten hatte, um seine Sachen zusammenzuraffen, war die respektable Menschenmenge, die Zeppelin bereits bei seiner Rückkehr von der Unglückstelle teilnahmsvoll empfangen hatte, explosionsartig angewachsen. Und kaum war der Graf mit seinem kleinen Koffer über die Türschwelle des »Hirschen« getreten, um in den mit laufendem Motor bereitstehenden Daimlerwagen zu steigen, da dröhnten auch schon die ersten Hurrarufe an seine Ohren. Es war beinahe nicht zu glauben!
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