Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ferdinand Graf Zeppelin

Ferdinand Graf Zeppelin

Titel: Ferdinand Graf Zeppelin
Autoren: Gunter Haug
Vom Netzwerk:
hinter seinen beiden Fahrgästen und kletterte auf den Fahrersitz. Dann legte er den Gang ein und brauste mit zügigem Tempo davon, verfolgt von den traurigen Blicken der teilnahmsvollen Friedrichshafener Bürger.
    Erschöpft lehnte sich Zeppelin in die Rückbank und atmete langsam aus, während er gleichzeitig nach der Hand seiner Ehefrau tastete. Ganz allmählich schien sich endlich die Anspannung zu lösen, die ihn während der gesamten Zugfahrt von Stuttgart bis nach Friedrichshafen wie ein eiskalter Schraubstock gefangen gehalten hatte.
    Er wandte seinen Kopf auf die rechte Seite und bedachte Isabella von Zeppelin mit einem Blick, wie sie ihn in ihrer beinahe 40-jährigen Ehe bei ihrem Mann noch niemals gesehen hatte. »Es ist aus, Bella! Alles, schlichtweg alles, ist aus. Am liebsten würde ich mich in einer Höhle verstecken oder weit weg, bis nach Italien fahren, um nichts mehr sehen und hören zu müssen. Nur fort von hier! Ganz weit weg!«
    Sachte erwiderte sie den Druck seiner Hand und schenkte ihm ein mitfühlendes Lächeln. »Ach Ferdi. Wenn das so einfach wäre. Wegfahren. Ich glaube, du solltest erst einmal eine Nacht darüber schlafen, bevor du irgendwelche Entscheidungen triffst. Es war einfach zu viel, was in den vergangenen Tagen auf dich eingestürmt ist. Du bist es doch, der immer sagt, man solle die Dinge in Ruhe abwägen und von allen Seiten betrachten, bevor man ein Urteil abgibt.«
    »Ein Urteil abgibt …«, echote der alte Mann bitter und nahm sie aus hoffnungslosen Augen in sein Visier. »Allerliebste Bella! Da gibt es nichts mehr abzuwägen und zu beurteilen. Ich bin schlichtweg am Ende. Sowohl was meinen Ruf betrifft, als auch finanziell. Vor allem finanziell. Meine Geldmittel sind restlos aufgebraucht. Ich werde am Wochenende noch nicht einmal mehr meinen Arbeitern ihren Lohn zahlen können. Geschweige denn mein Zimmer hier im »Buchhorner Hof«. Es ist vorbei, Bella. Der Luftschifftraum ist ausgeträumt. Endgültig.« Er atmete schwer und schüttelte dabei langsam seinen Kopf. »Am liebsten würde ich wirklich davonfahren und alles hinter mir lassen. Einfach nur nichts und niemanden mehr sehen müssen.«
    Es brach Isabella von Zeppelin beinahe das Herz, diese bitteren Sätze hören zu müssen. Ausgerechnet aus dem Mund jenes Mannes, der doch schon so viele Schicksalsschläge unbeschadet überwunden hatte und der unbeeindruckt vom hämischen Gespött der Massen – als »Narr vom Bodensee« hatten sie ihn sogar verhöhnt – beharrlich seinen Weg weiter gegangen war. Mehr als einmal hatte es auch geheißen, der »Luftgraf« sei am Ende. Aber immer wieder hatte er den Lästermäulern das Gegenteil bewiesen und eisern durchgehalten – obwohl er finanziell tatsächlich mehr als nur einmal kurz vor dem Ruin gestanden hatte. Einhundert Mal gefallen – einhundert und ein Mal wieder aufgestanden. Wie der sprichwörtliche Phönix aus der Asche – bis zu jener triumphalen Fahrt seines Luftschiffs am 1. Juli diesen Jahres, die als »Schweizer Fahrt« für Schlagzeilen in der ganzen Welt gesorgt hatte. Und jetzt dieser fürchterlicher Zustand, aus dem es scheinbar kein Entrinnen für ihn gab! Das durfte doch nicht sein! Das konnte sie nicht zulassen. Irgendwie musste es Bella gelingen, ihren Ehemann aufzumuntern. Auf andere Gedanken bringen.
    »Ferdi. Das mit dem Wegfahren wird nicht so einfach werden …«, begann sie vorsichtig und ließ den zweiten Teil ihres Satzes bewusst offen.
    Eine Zeitlang schien es fast so, als habe er gar nicht zugehört. Dann erst runzelte er irritiert seine Stirn. »Wieso nicht? Worauf willst du hinaus?«
    »Nun ja«, scheinbar gleichmütig zuckte sie mit den Schultern. »Immerhin haben wir ja übermorgen unseren 39. Hochzeitstag.«
    Der Graf verzog schmerzlich das Gesicht. »Das auch noch! Das wird der traurigste Hochzeitstag, den wir jemals zusammen erleben mussten. Und das nach all den Jahren! Umso mehr ein Grund, die Dinge hinter uns zu lassen.«
    »Und was willst du den Leuten in Emmishofen am Freitag dann sagen? Die freuen sich doch schon seit Tagen auf unseren Empfang, zu dem wir sie schließlich offiziell eingeladen haben. Das ganze Dorf. Wir sollten sie nicht enttäuschen.«
    »Nicht enttäuschen«, schnaufte Zeppelin. »Mir steht der Sinn im Augenblick wahrlich nicht zum Feiern und zu mehr oder minder belanglosen Zwiegesprächen. Mich plagen wahrlich andere Sorgen. Muss das denn wirklich sein, Bella?«
    »Ja, das muss sein, Ferdi«, bekräftigte die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher