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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt
Autoren: James W. Nichol
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Busses zu verstauen, und all seine Freunde und seine ganze Familie scharten sich um ihn und sagten, viel Glück, Walker. Viel Glück!
    Nur Cathy war weggeblieben. Und das hatte ihn auch nicht überrascht. Eines Nachts, als sie in seinem alten Pick-up saßen, hatte sie gesagt: »Walker, das hat alles nichts mit mir zu tun.«
    »Du könntest mitkommen«, hatte Walker gesagt, und es eigentlich nicht gemeint. »Was von der Welt sehen.«
    »Blödmann«, hatte sie gesagt und sich weggedreht.
    Er hätte sie küssen können. Flüstern können: »Ich will dich nicht verlieren.« Er hätte ihren köstlichen Duft einatmen können, zusammen mit dem Parfüm, das sie sich immer hinters Ohr tupfte und das ihn verrückt machte. Er hätte sie noch einmal an sich ziehen, ihre Brüste mit seinen Händen umfassen und flüstern können: »Wir können gehen, wir können bleiben. Hauptsache, wir sind zusammen, Cath«, und die Autoscheiben hätten sich noch einmal mit ihrem Atem beschlagen. Aber er tat nichts davon. Weil es um mehr ging als um sein Verlangen, die Welt zu sehen. Er hatte etwas entdeckt. Etwas, von dem er niemandem erzählen wollte.
    »Ich gehe, Cath«, hatte er gesagt.

[home]
    2
    1961
    B obby rieb seine Nase am Fliegengitter im Fenster. Das fühlte sich gut an. Beruhigend. Auf und ab. Auf und ab. Er konnte seinen Vater im Gartenpavillon sitzen sehen. Nicht als Ganzes, nur seine Beine in den Leinenhosen, die so weiß waren, dass Bobby die Augen weh taten. Und dann bewegte sich sein Vater, schlug einen riesigen zweifarbigen Schuh über den anderen, die Schnürsenkel zu Schleifen gebunden, das weiße Leder nicht ganz so weiß wie seine Hosen, das braune Leder genau in der Farbe seiner Socken.
    Tief unter sich sah Bobby, wie seine Mutter durch den Garten ging und die fächerförmigen Stufen zu seinem Vater hochstieg. Sie trug ein Tablett. Gläser blinkten, Eis klirrte.
    Sie stand einen Augenblick da, ihr Kopf vom Dachgesims abgeschnitten, ihr Körper bedeckt mit Blumen, die sich auf einem transparenten Stoff wiegten, durch den Bobby hindurchsehen konnte.
    Sein Vater war bei der Arbeit. Er war immer bei der Arbeit. Meistens war er irgendwo weit weg, aber manchmal arbeitete er unten in dem Zimmer, das nach Zigarren roch, und Bobby musste leise sein. Manchmal saß sein Vater draußen.
    Bobby hörte seine Mutter plappern. Plapper. Plapper. Schließlich setzte sie sich auf die Stufen, ihr Gesicht unscharf im späten Sommerlicht. Sie sprach nicht mehr, sondern sah einfach vor sich hin. Jetzt fuhr sie sich mit der Hand über den Mund, hin und her.
    Und auch Bobby rieb seine Nase sanft am Fliegengitter. Hin und her. Hin und her.
    Plötzlich stand seine Mutter auf, ging über den Rasen und war verschwunden.
    Die Beine seines Vaters blieben weiß und unbeweglich, die Falten in seinen Hosen messerscharf.
    Bobby presste seine Nase fester auf das warme Drahtnetz. Leise, ganz leise riss es weit auf. Er kletterte hinaus auf das Fensterbrett und saß da, von grünen Efeublättern umrankt, seine runden Beinchen in den gelben Pyjamahosen hingen hinunter.
    Die langen weißen Beine seines Vaters bewegten sich immer noch nicht.
    Bobby ließ los und fiel durch einen langen grünen Efeutunnel, stürzte auf den darunter liegenden Steingarten und die Sträucher zu. Er ging über den Rasen zum Pavillon. Da stand sein Vater auf und trat auf die oberste Stufe, um ihn zu empfangen, und sein gebräuntes Gesicht verzog sich zu seinem berühmten Lächeln, die Zähne so weiß wie die eines Filmstars, und er staunte über seinen Sohn, über seine Tapferkeit, seine Unverwüstlichkeit. Jeden Moment würde er ihn jetzt hochheben und Bobby an seine kratzige Backe drücken, der Duft seines Eau de Cologne würde Bobby zu Kopf steigen und ihn in Geborgenheit, Schläfrigkeit, Glückseligkeit wiegen.
    Bobby rieb sich die Nase am Fliegengitter wund. Die Beine seines Vaters hatten sich nicht bewegt.
    Bobby berührte seine Nasenspitze mit dem Finger. Es tat weh.

[home]
    3
    W alker hatte die Adresse einer Jugendherberge in der Church Street. Dort wollte er ein, zwei Nächte schlafen, bis er eine dauerhafte Bleibe gefunden hatte. Sobald er sich irgendwo niedergelassen hätte, würde er sich eine Arbeit suchen. Er hatte zweihundert Dollar Bargeld in der Brieftasche und zweitausend Dollar in Reiseschecks.
    Seine Mutter war beinahe in Ohnmacht gefallen, als er ihr gesagt hatte, dass er sein Konto komplett plündern würde.
    »Um Himmels willen, nimm doch nicht das ganze Geld
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